Im Krankheitsverlauf von Multipler Sklerose (MS) können viele verschiedene Symptome auftreten. Bei allen Menschen mit MS sind Art und Ausprägung der Beschwerden individuell verschieden. Welche Krankheitssymptome auftreten und wie sich diese zeigen, ist abhängig von Lokalisation und Anzahl der Entzündungsherde im zentralen Nervensystem (ZNS) sowie der Verlaufsform. Keine MS gleicht der anderen. Dennoch gibt es Symptome, die bei einem Großteil der Menschen mit MS häufig auftreten. Erfahren Sie hier, welche Symptome bei Multipler Sklerose verbreitet sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Erkrankung Multiple Sklerose äußert sich auf sehr vielfältige Weise und bei allen MS-Patient:innen individuell verschieden.
  • Die Vielfalt der Symptome ist abhängig davon, wo und in welcher Anzahl die Schädigungen im zentralen Nervensystem auftreten und wie die Erkrankung verläuft.
  • Typische Symptome bei MS sind u. a.: Fatigue, Sensibilitätsstörungen, Sprechstörungen, Sehstörungen, kognitive Störungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen, Störungen der Blasen- und Darmfunktion, Schmerzen, Schlaf- und Sexualstörungen.
  • Häufig vergehen mehrere Monate und Jahre bis zur zweifelsfreien MS-Diagnose.
  • Anhand der Diagnosekriterien nach McDonald ist es Ärztinnen und Ärzten aber möglich, eine MS-Diagnose früher zu stellen.

Vielfältige Symptome im Krankheitsverlauf von Multipler Sklerose

Multiple Sklerose (MS) wird in der Neurologie auch als das „Chamäleon“ oder „die Krankheit mit 1000 Gesichtern“ bezeichnet. Eine MS-Erkrankung verläuft von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich. Die Symptome bei Multipler Sklerose entstehen aufgrund von chädigungen der Nervenisolierschicht Myelin (Demyelinisierung) sowie des Abbaus von Nervenfasern und -zellen. Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die Schäden am Zentralnervensystem (ZNS), also an Gehirn und Rückenmark, verursacht.

Bei Multipler Sklerose verwechselt das Immunsystem die Myelinscheiden, die die Nervenfasern umgeben und schützen, mit körperfremden Substanzen. Um sie unschädlich zu machen, ruft es Entzündungsreaktionen hervor, die die Myelinscheiden beschädigen und zerstören. Die Nervenfasern liegen dadurch teilweise frei, womit ihnen der Schutz gegenüber äußeren Einflüssen fehlt. Zugleich ist ihre Fähigkeit zur Reizweiterleitung durch die Demyelinisierung eingeschränkt.

Typische Symptome und Krankheitsverlauf

Welche Symptome die Multiple Sklerose im Krankheitsverlauf hervorruft, ist abhängig davon, an welchen Stellen es im ZNS zu Schädigungen gekommen ist. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben des ZNS ist das Spektrum möglicher Beschwerden groß. Dazu zählen bspw. Müdigkeit und rasche Erschöpfung, kognitive Störungen, Empfindungsstörungen, Sehstörungen und Bewegungsstörungen. Die Symptome einer Multiplen Sklerose im Krankheitsverlauf sind sehr individuell, wie auch der Krankheitsverlauf selbst. Der Verlauf der MS ist meist durch Schubaktivitäten gekennzeichnet, wobei sich die Symptome zwischen den Schüben ganz oder teilweise zurückbilden. Bei anderen MS-Patienten:innen können sich die Beschwerden hingegen von Beginn an nach und nach verschlechtern.

Je nach Krankheitsverlauf werden verschiedene Formen der MS unterschieden. Bei einer schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose (RRMS), der häufigsten Form der MS Erkrankung in Schüben. Charakteristisch für diese Verlaufsform sind Phasen, in denen sich Symptome verschlimmern (Schübe) gefolgt von sogenannten Remissionen, also Intervallen, in denen sich die Beschwerden vorübergehend dauerhaft zurückbilden. Neben der RRMS werden noch weitere Formen unterschieden, darunter die primär progrediente MS (PPMS) und die sekundär progrediente MS (SPMS).

Im Folgenden haben wir Ihnen eine Übersicht über die häufigsten Symptome von Multipler Sklerose im Krankheitsverlauf zusammengestellt.

Fatigue

Fatigue bezeichnet eine übermäßige Müdigkeit, rasche Erschöpfung sowie einen allgemeinen Mangel an Energie. Sie gilt als das am weitesten verbreitete Symptom von Multipler Sklerose: Mehr als die Hälfte, der Menschen mit MS sind davon betroffen. Stress und hohe Temperaturen können die Symptome zudem verstärken.

Sensibilitätsstörungen bzw. Empfindungsstörungen

Als Sensibilitätsstörungen (Empfindungsstörungen) werden verschiedene Störungen der Wahrnehmung körperlicher Reize zusammengefasst. Bei Multipler Sklerose äußern sich diese zum Beispiel in Form von Taubheitsgefühlen, Kribbeln oder Brennen in Armen und Beinen, einem Panzergefühl oder gestörter Temperaturwahrnehmung. Auch das Lhermitte-Zeichen (positives Nackenbeugezeichen) gehört zu den Sensibilitätsstörungen.

Sehstörungen

Sehstörungen sind bei Multipler Sklerose weit verbreitet: Rund drei Viertel der Menschen mit MS leiden im Verlauf ihrer Erkrankung zumindest zeitweise daran. Beschwerden wie verschwommenes Sehen, Doppelbilder oder eine gestörte Farbwahrnehmung können infolge von Entzündungen des Sehnervs auftreten, aber z. B. auch durch Schäden an den Nerven, die die Muskulatur des Auges steuern.

Kognitive Störungen

Zur Kognition zählen alle Prozesse der Wahrnehmung und des Denkens, darunter zum Beispiel Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnis und exekutive Fähigkeiten. Bei rund einem Viertel der Menschen mit Multipler Sklerose sind diese und weitere Fähigkeiten beeinträchtigt.

Koordinationsstörungen und Bewegungsstörungen

Sind bei MS Nerven betroffen, die Signale an die Muskeln weiterleiten, können Koordinationsstörungen und Bewegungsstörungen die Folge sein. Bei MS verbreitet sind z. B. Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination), Spastiken (erhöhte Muskelspannung), Tremor (Zittern) und Lähmungen. Stress, Schmerzen und weitere Faktoren können die Symptome verschlimmern.

Störungen der Blasen- und Darmfunktion

Mediziner:innen vermuten, dass rund drei Viertel der Menschen mit Multipler Sklerose im Verlauf ihrer Erkrankung an Funktionsstörungen der Blase wie Harninkontinenz und einer Harnabsatzstörung leiden. Bei rund 40 bis 70 Prozent der MS-Patient:innen kommt es zu Störungen der Darmfunktion wie Verstopfung oder Stuhlinkontinenz. Diese Symptome werden aber aus Scham oft verschwiegen. Jedoch sollte dies kein Tabuthema sein. Nur wenn die Beschwerden offen angesprochen werden, kann eine geeignete Therapie eingeleitet werden.

Schmerzen

Schmerzen können bei Multipler Sklerose sowohl als eigenständiges Symptom (z. B. schmerzhafte Sensibilitätsstörungen, MS-Trigeminusneuralgie oder Lhermitte-Zeichen) wie auch als Folge anderer Symptome (z. B. Muskelschmerzen aufgrund einer Spastik) auftreten. Die Behandlung ist dabei abhängig von den jeweiligen Ursachen. Mehr über Schmerzen bei MS und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erfahren Sie hier.

Depressionen

Etwa die Hälfte aller Menschen mit MS leidet an Depressionen oder erlebt im Krankheitsverlauf Phasen depressiver Verstimmungen. Häufige Symptome von Betroffenen sind Gefühls- und Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Interessenverlust, Selbstzweifel, Antriebsmangel und schnelle Ermüdung. Aber auch Appetitsverlust oder Schlafstörungen können auftreten.

Sprech- und Schluckstörungen

Etwa 75 Prozent der Menschen mit Multipler Sklerose haben Schwierigkeiten mit dem Sprechen, weil z. B. die Steuerung der Gesichtsmuskulatur beeinträchtigt ist. Die Beeinträchtigungen äußern sich in Form von undeutlicher, schleppender Aussprache, Veränderungen von Lautstärke und Sprachmelodie sowie ungewöhnlichen Pausen beim Sprechen. Die geistigen Fähigkeiten und das Sprachverständnis sind davon nicht betroffen.
Bei rund einem Drittel der MS-Patient:innen ist zudem die Fähigkeit, zu schlucken, beeinträchtigt. Dies erschwert nicht nur das Essen und Trinken, sondern führt auch dazu, dass sich Betroffene häufig verschlucken. Oft ist zudem der Hustenreflex gestört. Dadurch besteht die Gefahr, dass Fremdkörper und Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen.

Schlafstörungen

Rund drei Viertel aller Menschen mit MS berichten von Ein- und Durchschlafproblemen. Die Gründe dafür können verschieden sein. Mögliche Ursachen sind bspw. eine Blasenstörung, Schmerzen, das Restless-Legs-Syndrom (RLS, „unruhige Beine“ oder auch psychische Erkrankungen wie eine Depression. Auch Fatigue kann zu Schlafstörungen führen und wird hierdurch auch noch zusätzlich verstärkt.

Sexualstörungen

Etwa die Hälfte der Frauen mit MS und rund drei Viertel der Männer mit MS leiden unter Störungen der Sexualität. Die Ursachen können etwa eine Sensibilitätsstörung der Genitalien, Erektionsstörungen oder Scheidentrockenheit sein. Aber auch Muskelschwäche, Inkontinenz oder das Gefühl, nicht mehr attraktiv zu sein, können die Sexualität negativ beeinflussen.

Dr. Kai Wohlfahrt, Chefarzt der Neurologie am BG Klinikum Bergmannstrost Halle sagt:

Potenzstörungen können relativ frühzeitig auftreten. Es ist eines dieser Symptome, die “unsichtbar” bleiben, wie auch Blasen- und Mastdarmstörungen. Solche Symptome sind Betroffenen oft unangenehm und werden vom Hausarzt nicht immer angesprochen. […] Es sollte auf jeden Fall zu einer guten Befunderhebung und Anamnese gehören, auch nach diesen Störungsbildern zu fragen.

Weitere Symptome

Deutlich seltener treten Symptome bei Multipler Sklerose im Krankheitsverlauf paroxysmal, d. h. anfallsartig, auf. Beispiele hierfür sind die MS-bedingte Trigeminusneuralgie, das Lhermitte-Zeichen und das Uhthoff-Phänomen. Typisch für diese Beschwerden ist, dass diese im Vergleich zu anderen MS-Symptomen meist nur wenige Sekunden bis Minuten andauern und von allein abklingen. Die Auslöser können vielfältig sein, z. B. bestimmte Bewegungen sowie heißes oder kaltes Essen.

Verhältnismäßig selten, jedoch im Vergleich zu Gesamtbevölkerung fast doppelt so häufig, tritt bei einer MS-Erkrankung die Epilepsie als Symptom auf. Hiervon betroffen sind ca. 1,6 Prozent aller Menschen mit MS. Bei einem epileptischen Anfall entladen sich viele Nervenzellen des ZNS gleichzeitig – zu den möglichen Folgen gehören Absence (Abwesenheit), Bewusstlosigkeit und Krämpfe.

Unsichtbare Multiple Sklerose-Symptome im Krankheitsverlauf erkennen und reagieren

Viele Symptome von Multipler Sklerose sind unsichtbar, z. B. Fatigue, kognitive Störungen, Sehstörungen, Sprechstörungen, Schmerzen und Sensibilitätsstörungen. Oft werden diese Symptome nicht als solche wahrgenommen und bleiben unbehandelt. Außenstehende begegnen diesen nicht sichtbaren Beschwerden zudem oft mit Unverständnis und Ablehnung.

Gut zu wissen

Da gerade in der Frühphase von Multipler Sklerose die Symptome sehr unspezifisch sind und so auch leicht übersehen bzw. anderen Krankheitsbildern zugeschrieben werden können, vergehen nicht selten Monate bis Jahre, ehe die Diagnose „MS“ gestellt werden kann. Dank der Diagnosekriterien nach McDonald (McDonald-Kriterien), kann eine MS-Erkrankung immer früher diagnostiziert werden.

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