Wer an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, fühlt sich mit dieser Diagnose anfangs oft allein. Tatsächlich handelt es sich aber um die häufigste Erkrankung des Zentralnervensystems im jungen Erwachsenenalter. Allein in Deutschland leben mehr als 280.000 Menschen mit einer Multiplen Sklerose. Doch die Erkrankung betrifft nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Hier erfahren Sie, mit welcher Häufigkeit Multiple Sklerose bei Männern und Frauen sowie in verschiedenen Altersgruppen auftritt. Außerdem gehen wir der Frage nach, ob in den letzten Jahren tatsächlich immer mehr Menschen an MS erkranken.

Das Wichtigste in Kürze

  • MS betrifft in Deutschland rund 280.000 Menschen, jährlich kommen 15.000 Menschen hinzu. Weltweit leben 2,8 Millionen Menschen mit der Erkrankung.
  • Die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, ist abhängig von Alter und Geschlecht.
  • Frauen erkranken 2,3- bis 2,4-mal häufiger als Männer.
  • Die Ursachen für die geschlechtsspezifische Verteilung werden noch diskutiert. Infrage kommen hormonelle und genetische Faktoren sowie der Lebensstil und soziale Einflüsse.
  • Häufig tritt die Erkrankung zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr auf. Ein Auftreten im Kindes-/Jugendalter (bis 17) oder auch im höheren Alter (ab 50) ist mit 3 bis 5 Prozent eher selten.

Was bedeutet Epidemiologie?

Im Zusammenhang mit der Häufigkeit von Multipler Sklerose wird Ihnen immer wieder der Begriff Epidemiologie begegnen. Gemeint ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Häufigkeit von Krankheiten in der Bevölkerung auseinandersetzt. Dabei geht es einerseits um die absolute Zahl an Menschen, die an einer bestimmten Krankheit leiden, andererseits um Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. In der Epidemiologie spielen zwei Kennzahlen eine zentrale Rolle:

  • Unter der Prävalenz versteht man die Anzahl an Menschen, die insgesamt in einem bestimmten Zeitraum an einer Krankheit leiden.
  • Die Inzidenz bezeichnet die Anzahl von Menschen, bei denen eine Krankheit in einem bestimmten Zeitraum neu auftritt.

Um verschiedene Werte besser miteinander vergleichen zu können, werden Prävalenz und Inzidenz meistens auf ein Jahr bezogen und auf 100.000 Personen hochgerechnet angegeben.

Häufigkeit von Multipler Sklerose: Wie viele Menschen betrifft es?

Epidemiologie von MS in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Multiple Sklerose ist keine meldepflichtige Erkrankung. Daher kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, mit welcher Häufigkeit MS tatsächlich auftritt. Auf Basis verschiedener Studien lässt sich aber dennoch recht gut abschätzen, wie viele Menschen von der Erkrankung betroffen sind.

Aktuellste Zahlen zur Häufigkeit von Multipler Sklerose in Deutschland stammen aus dem Jahr 2015 und wurden durch das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) erhoben. Als Grundlage dienten die Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung.

  • Die Prävalenz von MS in Deutschland beziffert das Zi mit 0,34 Prozent. In absoluten Zahlen waren 2015 demnach knapp 224.000 gesetzlich Versicherte an Multipler Sklerose erkrankt. Rechnet man den Anteil an privat Versicherten hinzu und berücksichtigt den kontinuierlichen Anstieg der MS-Zahlen im Laufe der Jahre, dann kommt man auf insgesamt mehr als 280.000 Menschen mit MS in ganz Deutschland.

  • Die Inzidenz von Multipler Sklerose liegt laut Zi bei 18 pro 100.000 Personen. Das bedeutet, dass von 100.000 jährlich 18 Personen neu an Multipler Sklerose erkranken. In absoluten Zahlen sind das etwas mehr als 15.000 Menschen pro Jahr.

In Österreich sind laut einer Auswertung von Versicherungsdaten aus dem Jahr 2017 insgesamt 13.500 Menschen an Multipler Sklerose erkrankt. Die Inzidenz, also die Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr, soll bei 19,5 pro 100.000 Personen liegen.

Für die Schweiz gibt das Schweizer MS-Register eine Gesamtzahl (MS-Prävalenz) von ca. 15.000 Menschen mit MS im Jahr 2016 an. Jährlich sollen rund 350 bis 400 Neuerkrankungen hinzukommen.

Multiple Sklerose – Häufigkeit weltweit

Wie viele Menschen weltweit mit einer Multiplen Sklerose leben, lässt sich nur grob abschätzen. Denn in vielen Ländern sind die Daten zur Häufigkeit von Multipler Sklerose sehr lückenhaft. Die Internationale Multiple Sklerose Föderation (MS International Federation) spricht davon, dass es weltweit 2,8 Millionen Menschen mit MS gibt. Das entspricht einer MS-Prävalenz von 36 pro 100.000 Personen. Anders ausgedrückt: Rund 1 von 3.000 Menschen lebt mit einer Multiplen Sklerose.

Wer erkrankt an Multipler Sklerose?

Multiple Sklerose betrifft nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Je nach Alter und Geschlecht ist die Wahrscheinlichkeit, an Multipler Sklerose zu erkranken, sehr unterschiedlich.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Überproportional häufig tritt MS bei Frauen auf: Nach den aktuellen Daten für Deutschland erkranken Frauen um den Faktor 2,3- bis 2,4-mal häufiger als Männer.

Dabei gibt es aber bedeutsame Unterschiede zwischen den Verlaufsformen: Die primär progrediente Verlaufsform (PPMS) der Multiplen Sklerose, bei der die Beschwerden von Beginn an kontinuierlich zunehmen, ist bei Frauen und Männern etwa gleich häufig. Diese Verlaufsform betrifft insgesamt 10 bis 15 Prozent aller Menschen mit MS. Bei der Mehrzahl der Patient:innen beginnt die Erkrankung mit einzelnen Schüben. Von dieser sogenannten schubförmig remittierenden Verlaufsform (RRMS) der MS sind Frauen bis zu dreimal häufiger betroffen als Männer.

Warum Multiple Sklerose bei Frauen viel häufiger auftritt als bei Männern, ist derzeit nicht genau geklärt. Hormonelle und genetische Faktoren, aber auch der Lebensstil oder soziale Einflüsse könnten für die geschlechtsspezifischen Unterschiede verantwortlich sein.

Altersspezifische Unterschiede

Multiple Sklerose kann grundsätzlich in jedem Lebensalter erstmals auftreten. Am häufigsten beginnt die Erkrankung aber zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, wobei es leichte geschlechtsspezifische Unterschiede gibt:

  • Bei Männern fällt die Erstdiagnose am häufigsten zwischen das 35. und 39. Lebensjahr.

  • Frauen erkranken dagegen statistisch am häufigsten zwischen dem 25. und 29. Lebensjahr.

Das hängt u. a. damit zusammen, dass Multiple Sklerose bei Männern überproportional häufig in der primär progredienten Verlaufsform (PPMS) auftritt. Diese Verlaufsform beginnt im Schnitt etwas später als die schubförmig remittierende Verlaufsform (RRMS).

Geht man von der Gesamtheit der Menschen mit MS (MS-Prävalenz) aus, dann ist bei beiden Geschlechtern die Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen statistisch am häufigsten betroffen. Das liegt daran, dass die zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr Erkrankten älter werden, zugleich aber auch bei den über 40-Jährigen noch laufend neue Erkrankungsfälle hinzukommen.

Multiple Sklerose bei Kindern und Jugendlichen

Rund 3 bis 5 Prozent aller Neuerkrankungen betreffen Kinder und Jugendliche vor dem 17. Lebensjahr. Vor der Pubertät tritt Multiple Sklerose jedoch äußerst selten auf: In der Altersgruppe der unter 10-Jährigen liegt die Wahrscheinlichkeit, an Multipler Sklerose zu erkranken, bei nur 0,09 pro 100.000. Anders ausgedrückt: Unter 10 Millionen Kindern gibt es 9 Erkrankungsfälle. Erst ab 14 Jahren steigt die Inzidenz auf 2,64 pro 100.000, das sind 264 Fälle unter 10 Millionen.

Gut zu wissen

Interessant ist, dass Jungen und Mädchen vor der Pubertät etwa gleich häufig betroffen sind, während nach der Pubertät der Anteil der Mädchen steigt. Das spricht dafür, dass die Häufigkeit von Multipler Sklerose auch hormonelle Ursachen haben könnte.

Häufigkeit von Multipler Sklerose bei älteren Menschen

Tritt eine Multiple Sklerose nach dem 50. Lebensjahr erstmals auf, dann spricht man von einer „spät beginnenden MS“ (late onset MS). Rund 3 bis 5 Prozent aller MS-Patient:innen erhalten ihre MS-Diagnose erst in diesem Lebensalter. Ein Erkrankungsbeginn nach dem 60. Lebensjahr (very late onset MS) ist mit einer Häufigkeit von 0,6 Prozent sehr selten.

Davon zu unterscheiden sind ältere Menschen mit MS, die schon seit vielen Jahren oder Jahrzehnten mit der Erkrankung leben. Mittlerweile soll rund ein Viertel aller Menschen mit MS älter als 65 Jahre sein, was an sich erfreulich ist: Durch die deutlich verbesserten Behandlungsmöglichkeiten gleicht sich die Lebenserwartung von Betroffenen immer mehr der Allgemeinbevölkerung an.

Nimmt die Häufigkeit von Multipler Sklerose zu?

Rund um den Globus scheinen immer mehr Menschen unter MS zu leiden: Allein zwischen 2009 und 2015 haben die Krankenkassen in Deutschland eine Zunahme der MS-Prävalenz um 29 Prozent registriert, was im Schnitt 8.600 neuen Fällen pro Jahr entspricht. Laut MS International Federation soll die MS-Häufigkeit weltweit zwischen 2013 und 2020 um 21,7 Prozent zugenommen haben.1

Für Forschende ist aber unklar, ob wirklich immer mehr Menschen neu an MS erkranken. Denn auch andere Gründe könnten die steigenden Zahlen in den Statistiken erklären:

  • Höhere Lebenserwartung: Menschen mit MS erreichen dank verbesserter Therapiemöglichkeiten ein immer höheres Lebensalter.

  • Veränderte Diagnose-Kriterien: Die Kriterien für die Diagnose einer Multiplen Sklerose wurden mehrmals überarbeitet, zuletzt im Jahr 2017. Dadurch kann die Erkrankung jetzt einfacher und frühzeitiger diagnostiziert werden.

  • Verbesserte medizinische Versorgung: Möglicherweise wird die Erkrankung auch durch Verbesserungen im Gesundheitswesen mehr erkannt und häufiger richtig diagnostiziert.

  • Vollständigere Daten: Nicht zuletzt könnten verbesserte Datensätze die scheinbare Zunahme der MS-Häufigkeit erklären.

Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass wirklich immer mehr Menschen an MS erkranken. Was tatsächlich hinter den steigenden Zahlen steckt, muss die Forschung erst im Detail klären.

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