Die Diagnose einer Multiplen Sklerose ist sehr komplex und macht verschiedene Untersuchungen notwendig. Zudem müssen Mediziner:innen andere Erkrankungen als mögliche Ursache für die Beschwerden ausschließen können. Hier erfahren Sie, welche Kriterien für eine MS-Diagnose erfüllt sein müssen, welche Untersuchungen dafür notwendig sind, ob ein Multiple-Sklerose-Selbsttest sinnvoll ist und mehr.

Das Wichtigste in Kürze

  • Multiple Sklerose geht mit vielfältigen, meist unspezifischen Symptomen einher, was die Diagnose erschwert.
  • Erste Anzeichen können Empfindungsstörungen, Bewegungsstörungen, Sehstörungen oder starke Müdigkeit sein.
  • Die Diagnose beim Arzt bzw. der Ärztin erfolgt mittels Anamnesegespräch, neurologischer Untersuchungen, einem MRT, einer Untersuchung des Nervenwassers sowie Blut- und Urinuntersuchungen.
  • MS ist eine Ausschlussdiagnose, d. h. bevor die Diagnose “Multiple Sklerose” gesichert gestellt werden kann, müssen alle anderen Krankheiten als Ursache ausgeschlossen werden können.

Wie wird Multiple Sklerose diagnostiziert?

Die Diagnose von Multipler Sklerose (MS), in der Fachsprache auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist für Mediziner:innen nicht einfach. Aufgrund der unspezifischen und äußerst vielfältigen Symptome bei MS und des Fehlens eines eindeutigen Nachweises ist eine Diagnose nur möglich, indem alle anderen potenziellen Krankheitsursachen sicher ausgeschlossen werden können. Oft vergeht daher viel Zeit, bis die Diagnose MS gestellt und mit einer Therapie begonnen werden kann.

Dr. Kai Wohlfahrt, Chefarzt der Neurologie am BG Klinikum Bergmannstrost Halle sagt:

Durch den Neurologen ist die Diagnose relativ einfach zu stellen. Andere Fachgebiete haben es da etwas schwieriger. Da die Betroffenen zumeist erst zum Hausarzt gehen, dauert es etwa drei bis vier Jahre bis zur Diagnosestellung. Vielleicht geht es auch schneller, wenn der Hausarzt gut informiert ist und direkt an den Neurologen verweist.

Der Ablauf der MS-Diagnose und Untersuchungen

Haben Sie den Verdacht, an Multipler Sklerose zu leiden, oder beobachten Sie an sich typische erste Anzeichen von MS wie Empfindungsstörungen, Bewegungsstörungen und Sehstörungen oder eine ungewöhnliche Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue), sollte grundsätzlich Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin Ihre erste Ansprechperson sein. Er oder sie wird mit Ihnen sprechen, Sie untersuchen und ggf. an einen Neurologen bzw. eine Neurologin (einen Facharzt/eine Fachärztin für Nervenheilkunde) überweisen. Diese:r führt eine ausführliche Anamnese sowie Untersuchungen durch, die u. a. aufzeigen sollen, ob bei Ihnen eine Nervenschädigung vorliegt und ob es Anzeichen für die MS-typischen Entzündungen in Gehirn und Rückenmark gibt.

Zudem sind im Rahmen einer MS-Diagnose auch Untersuchungen auf viele andere mögliche Auslöser Ihrer Beschwerden erforderlich. Nur wenn bestimmte Diagnosekriterien erfüllt sind und am Ende der Untersuchungen keine andere Krankheit Ihre Symptome besser erklärt, stellt Ihr Neurologe bzw. Ihre Neurologin die Diagnose Multiple Sklerose. Im Folgenden haben wir für Sie weitere wissenswerte Informationen rund um den Ablauf der MS-Diagnose, die Untersuchungen sowie die Diagnosekriterien zusammengestellt.

Anamnese: Welche Fragen stellen Mediziner:innen bei Verdacht auf MS?

Bei Verdacht auf Multiple Sklerose beginnt das Diagnoseverfahren stets mit einer ausführlichen Anamnese, also einer Befragung u. a. zu Ihrer Krankengeschichte, Ihren (aktuellen und früheren) Symptomen und darüber, welche Medikamente Sie regelmäßig einnehmen. Auch Krankheitsfälle in der Familie können Aufschluss über ein evtl. erhöhtes MS-Risiko geben.

Mehr dazu, welche Fragen Mediziner:innen im Rahmen einer Anamnese bei MS-Verdacht stellen, lesen Sie hier.

Welche Untersuchungen sind für eine Multiple Sklerose-Diagnose erforderlich?

Um Multiple Sklerose sicher zu diagnostizieren, sind verschiedene Untersuchungen nötig, darunter neurologische Untersuchungen, ein MRT zur Feststellung von Läsionen im Gehirn, eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) sowie Blut- und Urinuntersuchungen, um andere mögliche Erkrankungen auszuschließen.

Erfahren Sie hier mehr über die verschiedenen Untersuchungen, die im Rahmen einer MS-Diagnose durchgeführt werden.

MS-Diagnosekriterien nach McDonald

Die Charcot-Trias bezeichnet im Zusammenhang mit Multipler Sklerose einen Komplex dreier Symptome, nämlich Nystagmus (Augenzittern), Intentionstremor (z. B. Händezittern bei zielgerichteten Bewegungen) und Dysarthrie (skandierende, d. h. langsame und abgehackte Sprache). Sie weist auf eine Schädigung des Kleinhirns hin, wie sie bei MS-Patientinnen und -Patienten allerdings nicht so häufig vorkommt.

Mehr über die McDonald-Kriterien als Basis für die Diagnose von Multipler Sklerose lesen Sie hier.

Was bedeutet das Lhermitte-Zeichen bei MS?

Das Lhermitte-Zeichen ist eine Sensibilitätsstörung (Empfindungsstörung), die durch Schäden am Zentralnervensystem (ZNS) ausgelöst wird. Das Vorbeugen des Kopfes durch den Arzt oder die Ärztin in Richtung Brust führt hierbei zu Missempfindungen im Rumpf, den Beinen oder auch den Armen. Betroffene beschreiben das Phänomen als mitunter schmerzhaftes und „elektrisierendes Gefühl“.

Wie sinnvoll ist ein MS-Selbsttest?

Einen richtigen Selbsttest auf Multiple Sklerose gibt es bisher nicht. Denn eine MS-Diagnose stellen Mediziner:innen nur nach gründlicher Untersuchung. Gerade bei einem erhöhten MS-Risiko kann es jedoch sinnvoll sein, sich mit den frühen Anzeichen von MS vertraut zu machen. So lässt sich die Krankheit ggf. frühzeitig erkennen und adäquat behandeln.

Lesen Sie hier, was Sie über Selbsttests auf Multiple Sklerose wissen sollten.

EDSS-Skala bei Multipler Sklerose

Die Expanded Disability Status Scale (EDSS), auf Deutsch auch „erweiterte Behinderungsskala“, beschreibt bei Menschen mit Multipler Sklerose den Grad der Behinderung durch die MS. Die Skala reicht von null bis zehn und ermöglicht es u. a., das Voranschreiten der MS-Erkrankung nachzuvollziehen.

Verdacht auf MS: Welche anderen Krankheiten könnten dahinterstecken?

Dass die Diagnose von Multipler Sklerose so komplex ist, liegt u. a. daran, dass mittels zahlreicher Untersuchungen zunächst andere Erkrankungen als mögliche Erklärung für die Beschwerden ausgeschlossen werden müssen. Hinter den Beschwerden könnten bspw. auch andere demyelinisierende Erkrankungen, eine Vielzahl weiterer chronischer Autoimmun- und Entzündungskrankheiten, Neuro-Borreliose, HIV/AIDS, Syphilis (mit Nervenbeteiligung), funikuläre Spinalerkrankung ausgelöst durch Vitamin-B12-Mangel oder sogar psychiatrische Erkrankungen stecken.

Wie lange dauert es bis zur Multiple Sklerose-Diagnose?

Oft vergehen Monate, manchmal sogar Jahre zwischen den ersten Anzeichen der MS und der abschließenden Diagnose. Die Gründe hierfür sind die unspezifischen Symptome von MS, die strikten Diagnosekriterien und die Tatsache, dass Mediziner:innen zunächst sämtliche andere infrage kommenden Krankheitsursachen ausschließen müssen.

Sobald die Diagnose „Multiple Sklerose“ gestellt ist, können Patient:innen mit einer passenden MS-Therapie beginnen. Je nach Verlaufsform kommen dabei verschiedene Medikamente zum Einsatz. Unterteilt werden diese Arzneimittel in Wirksamkeitskategorien von I-III. Ziel dieser sogenannten verlaufsmodifizierten Therapie ist es, die Häufigkeit und Schwere von Schüben zu verringern und so den Krankheitsverlauf langfristig positiv zu beeinflussen. Wie die MS-Behandlung im Einzelfall genau aussieht, legt der behandelnde Arzt bzw. die Ärztin individuell fest. Berücksichtigt werden dabei die Verlaufsform, die auftretenden Symptome sowie die weitere Krankheitsgeschichte.

Fortschritte in der MS-Behandlung und vielversprechende Aussichten

Heutzutage lässt sich Multiple Sklerose gut behandeln. Auch die Forschung an neuen Wirkstoffen zur Therapie der MS geht unaufhörlich weiter. Wichtig für den Therapieerfolg ist die konsequente Einnahme/Verabreichung der verschriebenen Medikamente, auch in schubfreien Phasen. Nur so kann das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamt, bestenfalls sogar verhindert werden. Neben der Behandlung mit Medikamenten, sind nichtmedikamentöse Behandlungskonzepte wie bspw. Physio-, Psycho-, Ergo- oder Logotherapie häufig ein weiterer wichtiger und sinnvoller Bestandteil des individuellen Therapieplans.

Auch eine gesunde Ernährung, das Vermeiden von Stress und ein an die Krankheit und die individuellen Vorlieben und Möglichkeiten angepasster Sport können dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern und die Selbstständigkeit trotz MS lange zu erhalten.

Wichtiger Hinweis: Unsere Artikel und Grafiken werden von unserem Expertenteam für chronische Erkrankungen überprüft. Grundlage sind stets seriöse Quellen, wissenschaftliche Artikel, Leitlinien und ärztliche Aussagen. Die Inhalte werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert und dienen weder der Selbstdiagnose noch ersetzen sie einen Arztbesuch.

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