Die Diagnose von Multipler Sklerose (MS) erfordert zahlreiche Untersuchungen. Hinter den Symptomen können nämlich auch andere Erkrankungen stecken, die Neurologen und Neurologinnen vor der MS-Diagnose zunächst sicher ausschließen müssen. Mehr über die verschiedenen Untersuchungsverfahren bei Verdacht auf Multiple Sklerose erfahren Sie hier.

Das Wichtigste in Kürze

  • Um die Diagnose Multiple Sklerose zweifelsfrei stellen zu können, müssen zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.
  • Dafür sind, neben einem ausführlichen Anamnesegespräch, verschiedene Untersuchungen nötig.
  • Multiple Sklerose-Untersuchungen zur Feststellung sind: neurologische Untersuchungen mit evozierten Potenzialen (EEG), Blutuntersuchungen, Liquoruntersuchungen, eine Magnetresonanztomographie (MRT) sowie ein Test auf Augenbewegungen.
  • Eine rechtzeitige Diagnose ist wichtig, um frühzeitig mit der entsprechenden Behandlung beginnen zu können.

Warum sind bei Verdacht auf Multiple Sklerose so viele Untersuchungen nötig?

Multiple Sklerose, bzw. Encephalomyelitis disseminata, ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu Entzündungen im Zentralnervensystem (ZNS) kommt. Durch eine Fehlfunktion des Immunsystems greift dieses die schützende Myelinschicht der Nerven in Gehirn und Rückenmark an. Es kommt zu einer stellenweisen Zerstörung der Myelinschicht, wodurch u. a. die Reizweiterleitung der Nerven eingeschränkt ist. Je nachdem, wo genau im ZNS diese Entzündungen auftreten, können ganz unterschiedliche Symptome die Folge sein, bspw. Sensibilitätsstörungen, Bewegungsstörungen, Störungen der Blasen- und Darmfunktion, kognitive Störungen wie Aufmerksamkeits- oder Konzentrationsprobleme.

Zugleich gibt es keinen eindeutigen Beweis für Multiple Sklerose, wie etwa einen bestimmen Erreger oder einen Antikörper, der im Blut nachweisbar wäre. Zur Diagnose analysieren Mediziner:innen stattdessen das Gesamtbild, bestehend aus MS-Schüben, Symptomen und weiteren relevanten Kriterien, nach den sogenannten McDonald-Diagnosekriterien. Zugleich müssen sie weitere mögliche Krankheiten, welche die vorliegenden Symptome ebenfalls erklären könnten, sicher ausschließen, ehe sie MS diagnostizieren können.

Reizweiterleitung bei gesunden Nerven

Verlangsamte Reizweiterleitung bei Nerven mit geschädigter Myelinschicht

Dr. Kai Wohlfahrt, Chefarzt der Neurologie am BG Klinikum Bergmannstrost in Halle sagt:

Der Neurologe wird zunächst einmal eine Anamnese erstellen, also die Krankengeschichte erheben. Das ist erstmal die Grundlage für die spätere Diagnose. Dazu gehört die Familienanamnese, denn es gibt Krankheitshäufungen in Familien. Wir wissen zum Beispiel, dass Kinder von MS-Betroffenen ein 10- bis 20-fach erhöhtes Risiko haben, eine MS zu entwickeln. Vor allem betrifft das Töchter, denn wir haben einen Schwerpunkt beim weiblichen Geschlecht. Nach einer Anamneseerhebung erfolgt der neurologisch-körperliche Befund mit gegebenenfalls apparativer Zusatzdiagnostik und Fokus auf den Körperbereichen, in denen die Beschwerden auftreten. Ganz wesentlich für die Diagnosestellung ist natürlich die bildgebende Diagnostik der Kernspintomographie. […] Zu einer Diagnostik beim Neurologen gehört außerdem die Lumbalpunktion.

Wissenswertes zu den verschiedenen Untersuchungen, die bei MS-Verdacht üblicherweise durchgeführt werden, haben wir im Folgenden für Sie zusammengestellt.

Neurologische Multiple Sklerose-Untersuchungen mit evozierten Potentialen

Die für MS typische Schädigung der Myelinscheiden führt dazu, dass Nervenimpulse (Reize und Signale) innerhalb des zentralen Nervensystems nicht mehr richtig weiterleitet werden. Dies lässt sich in einem Elektroenzephalogramm (EEG) nachweisen. Dazu werden mithilfe von Elektroden auf dem Kopf des Patienten oder der Patientin kleinste Potentialunterschiede in der Großhirnrinde, die gezielt durch bestimmte Reize hervorgerufen werden, gemessen.

Blutuntersuchungen & Labordiagnostik

Bei Verdacht auf Multiple Sklerose dient die Untersuchung des Blutes vor allem dazu, andere Krankheitsursachen auszuschließen. Über ein normales Blutbild hinausgehend, finden dabei Untersuchungen auf bestimmte Blutwerte, Antikörper und Krankheitsmarker statt, die auf Erkrankungen mit MS-ähnlichen Symptomen hinweisen.

Liquoruntersuchung

Im Liquor, auch Hirn- oder Nervenwasser genannt, lassen sich bei Multiple Sklerose-Untersuchungen oft Entzündungsmarker oder auch Teile der zerstörten Myelinschichten nachweisen, die sonst nicht dort zu finden sind. Für eine Liquoruntersuchung wird per Lumbalpunktion Nervenwasser aus dem Rückenmarkskanal, in Höhe der Lendenwirbelsäule, entnommen.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Bei Multipler Sklerose zeigen sich in einer MRT-Untersuchung Läsionen (Gewebeschädigungen) in Gehirn und Rückenmark, die auf akute oder bereits zurückliegende Entzündungsereignisse im ZNS hindeuten. Deren zeitliche und räumliche Streuung ist bei MS ein wichtiges Diagnosekriterium. MRT-Untersuchungen werden bei MS aber auch nach der Diagnose durchgeführt, um den Krankheitsverlauf zu überwachen.

Test auf Augenbewegungen

Bei manchen Menschen mit MS treten unwillkürliche Augenbewegungen auf. Dieser sogenannte optokinetische Nystagmus (Augenzittern) kann zu Sehstörungen wie Doppelbildern, aber auch zu einer Störung des Gleichgewichts führen. Bei einer Elektronystagmographie (ENG) führen Mediziner:innen mit an Stirn und Schläfe angebrachten Elektroden Messungen durch, um die Ursachen dieser Augenbewegungen zu ermitteln.

Multiple Sklerose-Untersuchungen: Was tun, bei MS-Verdacht?

Wenn Sie den Verdacht haben, an „MS“ erkrankt zu sein, wenden Sie sich bitte direkt an Ihre Hausarztpraxis. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird dem Verdacht nachgehen und Sie ggf. an einen Neurologen bzw. eine Neurologin überweisen, um die Symptome abzuklären. Um auch später noch klar und deutlich Ihre Beschwerden zu beschreiben, helfen kurze Notizen mit Datum, Art und Dauer der Symptome. Es ist sehr wichtig, Symptome frühzeitig als diese zu erkennen. So kann zeitnah mit der Behandlung begonnen und die geeignete Therapie eingeleitet werden.

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