Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) ist für viele zunächst eine große Herausforderung. Plötzlich tauchen viele Fragen auf, wie „Was kommt auf mich zu?“ oder „Wie wird mein Leben mit MS aussehen?“. Multiple Sklerose ist heute gut behandelbar und verläuft nur in seltenen Fällen schwer. Der überwiegende Anteil der Menschen mit MS kann daher dank modernster Therapien ein langes und eigenständiges Leben führen. In diesem Beitrag klären wir, inwieweit sich die Lebenserwartung mit einer Multipler Sklerose verändert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Lebenserwartung von Menschen mit MS weicht heute kaum noch von jener der Durchschnittsbevölkerung ab.
  • Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung, die das Risiko für Folgeerkrankungen erhöht. Das kann sich wiederum auf die Lebenszeit auswirken.
  • Einen größeren Einfluss auf die Lebenserwartung haben v. a. schwerwiegende Komplikation. Diese verringern die Lebenszeit um etwa sechs bis zehn Jahre.
  • Dank wissenschaftlicher Fortschritte und moderner Behandlungen sowie durch eine frühere Diagnose und eine Abgrenzung von anderen Erkrankungen ist die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten aber deutlich gestiegen.
  • Eine positive Auswirkung auf die prognostizierte Lebenszeit haben auch ganzheitliche Therapieansätze und Rehabilitationsmaßnahmen.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose?

MS verläuft individuell sehr verschieden, sodass sich eine allgemeingültige Aussage zum Verlauf und zur Prognose nur schwer treffen lässt. Laut Mediziner:innen ist davon auszugehen, dass die MS bei etwa einem Drittel der Patient:innen zeitlebens einen günstigen Verlauf ohne größere Beeinträchtigungen zeigt. Ein weiteres Drittel hat neurologische Beschwerden und leidet unter Einschränkungen, jedoch bleibt die Selbstständigkeit erhalten. Bei einem weiteren Drittel führt die MS mit der Zeit zu Behinderungen, die mit Berufsunfähigkeit und oft auch Pflegebedürftigkeit einhergehen können.

Je besser Menschen mit MS u. a. auf die ärztlich-medizinische Behandlung, Pflege und Rehabilitationsmaßnahmen, wie auch sozialmedizinische Angebote ansprechen, desto günstiger wirkt sich dies auf das Ausbleiben möglicher Folgeerkrankungen aus.

Heutzutage unterscheidet sich die Lebenserwartung von Menschen mit Multipler Sklerose nur noch unwesentlich von der der Durchschnittsbevölkerung. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn keine höhergradigen Behinderungen vorliegen.

Sollten allerdings schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie es auch bei anderen Erkrankungen passieren kann, so verkürzt sich, rein statistisch betrachtet, die Lebensdauer um sechs bis zehn Jahre im Durchschnittsvergleich.

Warum ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose verkürzt?

Multiple Sklerose bleibt ein Leben lang bestehen und erhöht das Risiko für andere Erkrankungen – darunter etwa Harnwegsinfekte, zu denen es als Folge von Störungen der Blasenfunktion kommen kann und vereinzelt eine Sepsis nach sich ziehen können. Somit verkürzt sich die Lebenserwartung für Multiple Sklerose im individuellen Fall. Vor allem bei MS-Patient:innen, die an einer Schluckstörung leiden, ist auch das Risiko für Lungenentzündungen erhöht. Denn durch die Schluckstörung besteht insbesondere beim Essen und Trinken die Gefahr, dass Fremdkörper oder Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen. Geschieht dies unbemerkt und ist zugleich der Hustenreflex gestört, spricht man von einer stillen Aspiration (schmerzfreie Störung beim Herunterschlucken von fester Nahrung und Flüssigkeiten).

Psychische Faktoren spielen auch eine Rolle

Zudem ist unter Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, auch das Suizidrisiko erhöht. Laut einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2016, welche das Suizidrisiko von mehr als 29.000 Menschen mit MS mit dem von rund 290.000 Menschen ohne MS verglich, liegt die Suizidrate mehr als doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Versuchte Suizide kamen bei Betroffenen 2,18-mal so häufig vor, vollendete Suizide 1,87-mal so häufig. Warum Suizid bei Multipler Sklerose häufiger vorkommt, ist noch nicht geklärt. Da jedoch Studien zufolge rund 90 Prozent aller Suizide eine Folge psychischer Erkrankungen wie Depressionen sind, und MS das Risiko einer psychischen Erkrankung deutlich erhöht, liegt hier ein Zusammenhang nahe.

Weder Komplikationen wie Infekte und Lungenentzündungen noch psychische Erkrankungen und Suizid sind unvermeidliche Folgen von Multipler Sklerose. Es gibt, abhängig von der jeweiligen Ursache, vielfältige Behandlungsmöglichkeiten, um die Auswirkungen von MS abzumildern, die Lebensqualität zu erhalten und das Sterberisiko zu verringern. Wenden Sie sich daher, wenn neue Symptome auftreten, stets vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Ihre Ärztin.

Verlängern neue Behandlungsmöglichkeiten die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose?

Junge Frau sitzt am Steg und schaut aufs MeerIn den letzten Jahrzehnten ist die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose deutlich gestiegen. Dies hat mehrere Ursachen. Zum einen wurden die Diagnosekriterien für MS angepasst, sodass Ärztinnen und Ärzte heute auch „leichtere“ Fälle deutlich früher diagnostizieren und mit der geeigneten Therapie starten können. Zum anderen kennt die Medizin heutzutage verschiedene Neuro-Myelitis-Spektrum-Erkrankungen, die der Multiplen Sklerose ähneln, aber teilweise weitaus aggressiver verlaufen und mit einer geringeren Lebenserwartung verbunden sind. Auch dadurch, dass Menschen mit solchen Erkrankungen mittlerweile keine MS-Diagnose mehr erhalten, hat sich die Lebenserwartung bei Multipler Sklerose verlängert.

Neue Behandlungsmöglichkeiten und ihre Auswirkung auf die Lebenserwartung

Hinzukommen aber auch wissenschaftliche Fortschritte und damit einhergehend eine verbesserte Behandlung von Multipler Sklerose. Von zentraler Bedeutung ist dabei die moderne verlaufsmodifizierende Therapie mit hochwirksamen MS-Medikamenten. Zudem tragen auch ganzheitliche Therapieansätze und Rehabilitationsmaßnahmen entscheidend zu einer Verbesserung der Lebensqualität und einer höheren Lebenserwartung bei Multipler Sklerose bei.

Das Leben mit MS ist aufgrund der Vielfalt der möglichen Symptome von Multipler Sklerose sicherlich oft unvorhersehbar und häufig eine große Herausforderung. Dennoch gelingt es vielen Menschen mit MS, ihren Alltag dank Hilfsmitteln, Unterstützungsangeboten und Achtsamkeit lange Zeit selbstständig zu meistern. Wichtig ist es auch, sich ausführlich zu informieren, um statistische Zahlen besser einordnen zu können und so mögliche Ängste zu relativieren. Für den täglichen Umgang mit der MS gibt es viel Hilfe und Unterstützung durch engagierte Mediziner:innen, Apotheker:innen und Therapeut:innen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann den Umgang mit der Erkrankung erleichtern.

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