Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In mehreren Podcastepisoden geht es um Bluthochdruck. Wir führen Sie durch jede Phase der Erkrankung, damit Sie immer gut informiert sind und heute geht es um die Hilfe, die man neben der ärztlichen Beratung bekommen kann. Willkommen bei Chronisch Mensch, einem Podcast von apo.com 

Ines Petzold Dresden Bluthochdruck Selbsthilfegruppe Hochdruckliga

Ines Petzold

Krankenschwester im Funktionsbereich Kardiologie am städtischen Klinikum Dresden, Assistentin für Hypertonie und Prävention & Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe Bluthochdruck der Deutschen Hochdruckliga

Transkript der Folge „Hilfe bei Bluthochdruck“

Mario D. Richardt: Wenn das Thema Selbsthilfegruppen auf den Tisch kommt, sind viele von uns skeptisch oder denken vielleicht sogar, niemals würde ich in eine Selbsthilfegruppe gehen, aber Selbsthilfegruppen können für viele Menschen eine Unterstützung sein. Sie bieten eine Möglichkeit sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und gemeinsam Lösungen zu finden. Eine Selbsthilfegruppe kann für jeden von uns von Bedeutung sein, der mit einer schwierigen Situation konfrontiert ist. Man fühlt sich weniger allein und kann von den Erfahrungen und dem Wissen von den anderen Mitgliedern profitieren. Oft entstehen sogar langfristige Freundschaften. Meine Gesprächspartnerin zu diesem Thema ist Schwester Ines Petzold, sie ist Krankenschwester im Funktionsbereich Kardiologie am städtischen Klinikum in Dresden. Sie ist außerdem Assistentin für Hypertonie und Prävention der Deutschen Hochdruckliga, sie ist Patientenvertreterin im Vorstand der Deutschen Hochdruckliga und sie ist Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe Bluthochdruck der Deutschen Hochdruckliga. Ich freue mich, dass sie sich für uns Zeit nimmt. Hallo, Schwester Ines. 

Ines Petzold: Hallo. 

Mario D. Richardt: Schwester Ines, also bei solch vielen wichtigen Funktionen, die Sie innehaben und Aufgaben, die Sie erfüllen müssen, es würde mich jetzt nicht wundern, wenn Sie bei all dem Stress nicht auch Bluthochdruck hätten.  

Ines Petzold: Ja, das habe ich, Bluthochdruck, aber ich muss sagen, es hält sich momentan Gott sei Dank auch noch in Grenzen. 

Mario D. Richardt: Wie bekommen Sie denn so viele wichtige und wertvolle Aufgaben unter einen Hut? 

Ines Petzold: Es macht mir eigentlich Spaß den Patienten, die von Bluthochdruck betroffen sind, zu helfen und, wenn mir was Spaß macht, merkt man das gar nicht, dass es eigentlich sehr viele Aufgaben sind, man kann das alles bewältigen. Ich habe festgestellt, dass es wenig Angebote gibt und der Mensch, der betroffen ist, eigentlich Hilfe braucht. Er braucht Informationen, damit er den Umgang mit der Erkrankung besser kennenlernt.  

Mario D. Richardt: Wir fokussieren uns jetzt mal auf die Arbeit als Ansprechpartnerin der Bluthochdruckselbsthilfegruppe hier in Dresden. Wie können Interessierte zu Ihrer Selbsthilfegruppe finden und wie läuft die Anmeldung ab? 

Ines Petzold: Die Anmeldung ist eigentlich ganz einfach. Ich habe montags Sprechzeiten von 18:00 bis 20:00 Uhr, da kann man mich über die Handynummer erreichen. Es gibt auch eine E-Mail-Adresse, dort kann man mir einfach eine E-Mail schreiben und da bekommt man auf alle Fälle eine Antwort von mir.  

Mario D. Richardt: Wie kommt man an Ihre Telefonnummer ran, wenn man den Draht zu Ihnen haben möchte?  

Ines Petzold: Man kommt sehr gut an meine Telefonnummer ran. Man findet uns einmal auf der Internetseite vom städtischen Klinikum Dresden, man findet uns ebenfalls auf einer eigenen Internetseite, wo man auch noch mal nachschlagen kann. Oder man probiert das Selbsthilfetelefon von der Deutschen Hochdruckliga zu wählen, was einmal am Donnerstag ist, wo ich dort auch Sprechzeiten habe, deutschlandweit, und dort leite ich die Betroffenen einfach immer weiter.  

Mario D. Richardt: Und Ihre Internetseiten, die verlinken wir auch noch mal in die Shownotes, dass sich jeder da informieren kann und direkt den Kontakt zu Ihnen findet. Wer kann sich denn bei Ihnen alles melden? Also alle rundherum um Dresden oder sogar bis weiter weg? 

Ines Petzold: Also wir bieten hier in Dresden eine Selbsthilfegruppe vor Ort, da können natürlich sehr viele auch rund um Dresden kommen und ich habe auch ebenfalls eine Onlinegruppe, wo wir uns auch so sporadisch jeden zweiten Monat treffen. Und dort ist es so, dass es auch deutschlandweit sein kann.  

Mario D. Richardt: Also es gibt auch so ein Angebot der Selbsthilfegruppen in jeder größeren Stadt in Deutschland? 

Ines Petzold: Es gibt momentan 25 Selbsthilfegruppen von der Deutschen Hochdruckliga. Die sind noch nicht sehr weit verbreitet, aber ich denke mir, es gibt ja auch sehr viele Patienten, die entfernt von Großstädten wohnen und die profitieren dann mehr von diesem Angebot, was online ist.  

Mario D. Richardt: Was macht denn die Selbsthilfegruppe besonders und wie unterscheidet sie sich von den anderen Angeboten?  

Ines Petzold: In der Selbsthilfegruppe lernen sich sehr viele Leute kennen und in der Selbsthilfegruppe kann man erfahren, wie ich nicht medikamentös etwas tun kann oder eine Anregung bekomme, meinen Blutdruck zu Hause selber noch mal etwas zu regulieren oder selber etwas auszutesten oder zu probieren, was mir helfen könnte.  

Mario D. Richardt: Welche Menschen kommen da typischerweise zu Ihnen in die Selbsthilfegruppe und welche Gründe haben sie dafür, sich Ihnen anzuschließen? 

Ines Petzold: In die Selbsthilfegruppe kommen Patienten, die natürlich betroffen sind, es kommen auch sehr viele Angehörige und sagen: „Ich habe jemanden Betroffenen“ oder die, die in der Selbsthilfegruppe sind, bringen dann einfach welche mit, weil die davon gehört haben oder geschwärmt haben, wenn man es so nennen kann.  

Mario D. Richardt: In der letzten Folge war ja der Ralf mit am Mikrofon, der geht nicht zur Selbsthilfegruppe, weil er so viel mit Arbeit zu tun hat. Ist es so, dass bei Ihnen eher die Älteren sind? 

Ines Petzold: Also sagen wir mal so, in der Selbsthilfegruppe vor Ort ist es meistens so, dass die Leute in den Großstädten da sind. Meistens so ab 60. In der Onlinegruppe es ist schwierig, da habe ich auch größtenteils Betroffene so ab 50 Jahren drin, aber bei Jüngeren ist es ganz schwierig. Ich meine, ich denke mir, die gehen eher auf Arbeit und dann haben die keine Chance oder wollen sich noch nicht informieren, weil beim Blutdruck ja eine Tablette vielleicht hilft.  

Mario D. Richardt: Ist es vielleicht auch die Angst und die Skepsis, dass man sagt, um Gottes willen, ich und eine Selbsthilfegruppe, da schäme ich mich? 

Ines Petzold: Ja, es ist.  

Mario D. Richardt: Muss man sich denn schämen? 

Ines Petzold: Nein, man muss sich eigentlich gar nicht schämen. Man erfährt ja dort einiges, aber der Nachteil ist halt eben das Wort Selbsthilfegruppe, das wissen wir eigentlich schon von ganz viel her. Dieses Wort bringt bei allen Leuten eine Skepsis rein, die eigentlich gar nicht da sein soll oder nicht da ist. Es ist ja nicht so, dass wir die Leute eigentlich nicht zwingen, dass sie jedes Mal sich einloggen oder zu uns kommen, zu jedem Treffen, sondern wenn sie meinen, es ist ein interessantes Thema, reicht es ja, wenn sie vorbeikommen. Also, es ist ja kein Zwang dahinter. Aber das ist schwierig, das den Leuten irgendwie richtig klar beizubringen.  

Mario D. Richardt: Und es ist ja auch, muss man ganz klar sagen, nicht so, dass man da in einem Stuhlkreis sitzt und dann stellt sich jeder vor und sagt, was er für Probleme hat. 

Ines Petzold: Nein, so ist es eigentlich nicht. Es gibt Selbsthilfegruppen, dort gibt es so was, dass man sich im Stuhlkreis zusammensetzt, aber bei Bluthochdruck mach ich es eigentlich meistens auch so, dass wir uns treffen, dass dort Anregungen kommen oder Vorträge gemacht werden, dass man sich austauscht über Tipps und Ratschläge und, dass die Patienten somit halt eben ihren Alltag besser meistern können.  

Mario D. Richardt: Wie viele Betroffene kommen denn erstmalig zu Ihnen und danach nie wieder? 

Ines Petzold: Also derjenige, der sich entschließt in die Gruppe zu kommen, bleibt. Online ist es auch so. Viele wissen ja schon alles, also einiges, die belesen sich ja im Internet, die belesen sich auch viel in Zeitschriften. Online ist es dann so, dass, wenn ein interessantes Thema ist, sie sich natürlich dann alle einloggen. So ist es auch vor Ort, wenn es ein interessantes Thema ist, dann kommen auch sehr viele.  

Mario D. Richardt: Es gibt tatsächlich eine hohe Erfolgsquote und die Menschen, die zu Ihnen kommen, die merken, oh es ist gar nicht so schlimm, wie man vielleicht denkt, wie das Klischee ist vielleicht, sondern es ist richtig cool und es hilft mir auch wirklich weiter.  

Ines Petzold: Ja und so soll es ja eigentlich auch sein.  

Mario D. Richardt: Wie oft treffen Sie sich mit den Betroffenen? 

Ines Petzold: Also wir treffen uns vor Ort meistens immer einmal im Monat und es gibt bei uns eine Sommerpause, denn im Sommer ist es ja meistens so, dass da die meisten in den Urlaub fahren oder haben andere Dinge. Deswegen sagen wir, wir machen eine Sommerpause und treffen uns dann erst wieder im Herbst.  

Mario D. Richardt: Und es ist aber so, dass es nicht nur diese Treffen gibt, sondern auch noch zusätzliche Angebote?  

Ines Petzold: Jawoll, also es ist so, dass die Treffen 16:00 Uhr beginnen und so 18:30 Uhr meistens fertig sind, wir haben auch eine WhatsApp-Gruppe gebildet, sodass man sich auch mal auf dem kurzen Weg austauschen kann. Wir haben zum Beispiel auch montags Sprechstunde von 18:00 bis 20:00 Uhr, da habe ich auch ein Telefon, wo die mich dann auch mal anrufen können, wenn doch mal ein kurzes Problem aufgetreten ist oder die eine Nachfrage haben. Da kann mich eben auch erreichen oder per E-Mail.  

Mario D. Richardt: Es ist quasi wirklich ein wertvolles Zusatzangebot, zu der ärztlichen Beratung, weil der Arzt ja auch nicht immer verfügbar ist, aber die Fragen, die man so zwischendurch hat, die einem auf den Nägeln brennen, die wird man bei Ihnen dann los?  

Ines Petzold: Ja, weil es einfach anders ist, der Patient oder der Betroffene redet ja mit dem Arzt, das ist ja nicht schlecht, mit dem Arzt zu reden, aber manchmal unter gleichgesinnten zu reden, da erfährt man manchmal viel, viel mehr oder man ist zufriedener.  

Mario D. Richardt: Und Ärzte haben manchmal auch nicht die Zeit.  

Ines Petzold: Ja, da stimmt.  

Mario D. Richardt: Wie ist es denn, wenn die Leute zu Ihnen kommen, ändern die tatsächlich was in ihrem Leben oder sind auch einige Pappenheimer dabei, die ihr Leben kaum umkrempeln? 

Ines Petzold: Es ist so, dass der Patient oder der Mensch immer ein Schuss bekommen muss, damit er etwas tut. Wenn wir so was nicht bekommen, dann ändern wir auch nichts an unserem Leben.  

Mario D. Richardt: Weil es ja ganz normal weiterläuft.  

Ines Petzold: Ja, ja. Dann denken wir, das ist so normal. Man muss dann aber etwas verändern bei Bluthochdruck und das Positive an so einer Selbsthilfegruppe ist, dass man dann immer mal zwischendurch wieder wachgerüttelt wird und man sagt dann okay, ich muss ja doch was tun.  

Mario D. Richardt: Weil man eben von anderen hört, wie es schlimm und schlecht laufen kann.  

Ines Petzold: Ja, ja.  

Mario D. Richardt: Wenn man nichts macht. 

Ines Petzold: Ja. 

Mario D. Richardt: Haben Sie viele Menschen bei sich in der Selbsthilfegruppe, die schon einen Herzinfarkt hatten, Schlaganfall hatten und davon jetzt sozusagen erzählen und die anderen davon profitieren, von diesen Erlebnissen?  

Ines Petzold: Es haben alle schon etwas durchgemacht. Es gibt keinen, der da bisher noch verschont geblieben ist, weil wie gesagt, man braucht immer erst mal einen Schuss, damit man etwas verändert.  

Mario D. Richardt: Wie hat man denn als Neumitglied die Möglichkeit, schnell in die Gruppe integriert zu werden?  

Ines Petzold: Also ich denke mir, bei uns ist das kein Problem. Also wenn dann jemand neues einfach bei uns auftritt in unsere Selbsthilfegruppetreffen kommt, das ist einfach so, dann sind alle herzlich willkommen und das ist kein Problem. Die fühlen sich eigentlich gleich alle wohl. Ich rede auch noch mal mit den Betroffenen hinterher, wie es bei uns läuft, wie es uns geht, also ich habe bisher noch keinen gehört, der gesagt hat, nein ich möchte nicht wieder. 

Mario D. Richardt: Wie viele Menschen sind bei Ihnen in der Selbsthilfegruppe? 

Ines Petzold: Wir haben momentan 58 vor Ort und ich glaube, 28 online.  

Mario D. Richardt: Wie können denn Angehörige von Bluthochdruckpatienten von der Selbsthilfegruppe profitieren? Welche Unterstützung wird da angeboten?  

Ines Petzold: Die können eigentlich gerne mit teilnehmen. Wir messen dann auch mal Blutdruck, wenn sie dann vorbeikommen, dass wir ihnen das mal zeigen, wie man richtig zu Hause messen sollte, weil es da ja dann doch etwas Schwierigkeiten gibt. Und dann können die aktiv mit dabei sein und lauschen. Online ist es ein bisschen einfacher. Da haben wir festgestellt, dass zum Beispiel, auch wenn ältere Leute sich einloggen, die Enkel sich freiwillig mit daneben hinsetzen und einfach auch zu lauschen und fasziniert sind, über welche Themen wir da reden. Also zum Beispiel, wenn man sich online trifft, hat zum Beispiel der Enkel der Oma geholfen, wie sie in das Internet reinkommt. Die war dann ganz stolz, dass sie drinnen war, und der Enkel hat dann einfach zugehört und war so fasziniert, dass er sich gleich neben die Oma hingesetzt hat und mit dabei war und so gespannt mit in die Kamera geschaut hat, dass es richtig toll war.  

Mario D. Richardt: Und ich glaube, eine ganz wichtige Arbeit ist auch die, dass Sie versuchen, das Fachchinesische der Ärzte so ein bisschen zu übersetzen.  

Ines Petzold: Ja, das ist ja eigentlich ganz wichtig, dass man mit dem Patienten mit normalen Worten redet, denn bei den Ärzten sind die meisten Patienten auch aufgeregt und hören dann meistens weniger oder verstehen den Arzt gar nicht. Sie müssen ja verstehen und es ist manchmal einfacher mit einfacheren Worten an den Menschen heranzukommen, weil man dort viel mehr Lösungen oder schneller Lösungen finden kann, als, wenn sie beim Arzt sind, aufgeregt sind, die halben Fragen dort vergessen und dann hinterher eigentlich rausgehen und sagen „was hat er jetzt eigentlich richtig gemeint?“. Und das ist eigentlich das, wo wir dann auch helfen, den Betroffenen zu sagen “das und das haben die Ärzte gemeint” und, dass wir gemeinsam Lösungen finden, um den Umgang mit Bluthochdruck zu erleichtern.  

Mario D. Richardt: Also Betroffene bekommen Hilfe beim Arzt, bekommen Hilfe in der Selbsthilfegruppe, zum Beispiel bei Ihnen, wo noch? 

Ines Petzold: Also ein Patient kann sich auch gerne, wenn er Probleme hat und schon mehrere Tabletten nimmt, beim Hypertensiologen einfach mal vorstellen.  

Mario D. Richardt: Braucht dafür wahrscheinlich eine Überweisung? 

Ines Petzold: Er braucht dort auf alle Fälle einen Überweisungsschein. Es gibt auch schon verschiedene Hypertoniezentren, in Gesamtdeutschland verteilt. Dort muss er einfach mal anrufen und fragen, welche Modalitäten dort sind, damit er sich dort vorstellen kann und dort sollte man sich auf alle Fälle mal vorstellen. Spätestens, wenn man vier bis fünf Medikamente für den Blutdruck speziell einnimmt. Dort bekommt er dann spezielle Hilfe, wie man den Blutdruck weiter behandeln kann.  

Mario D. Richardt: Also einfach mal bei Google eintippen, Hypertoniezentrum? 

Ines Petzold: Ja.  

Mario D. Richardt: Also halten wir fest, auch Selbsthilfegruppen sind ein ganz wichtiger Part bei der Behandlung von Bluthochdruck. Ich bedanke mich für Ihre offenen Worte, Schwester Ines.  

Ines Petzold: Ja, gerne.  

Mario D. Richardt: Ihnen vielen Dank fürs Zuhören, wollen Sie noch mehr rund um das Thema Bluthochdruck erfahren, schauen Sie auch in der passenden Magazin-Reihe von apo.com vorbei. Den Link finden Sie dazu in der Folgenbeschreibung. Bis zum nächsten Mal, machen Sie es gut, tschüss.