Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In insgesamt 11 Podcastfolgen geht es um die große Volkskrankheit Diabetes. Wir führen Sie durch jede Phase der Krankheit, damit Sie immer gut informiert sind. In der heutigen achten Folge geht es um das Thema Leben mit Diabetes, den Alltag trotz Diabetes meistern. Willkommen beim Podcast Chronisch Mensch. 

Dr. med. Tobias Wiesner                                                              

Ärztlicher Leiter, Diabetologe & Endokrinologe am MVZ Stoffwechselmedizin in Leipzig             

Transkript der Folge Leben mit Diabetes

Mario D. Richardt: Diesmal wollen wir erfahren, wie man als Diabetiker den Alltag meistert, denn Diabetes kann das Leben ziemlich auf den Kopf stellen. Als Experte ist wieder Dr. Tobias Wiesner an meiner Seite. Er ist Diabetologe und Endokrinologe mit einer Praxis in Leipzig. Guten Tag, Dr. Wiesner.  

Dr. Tobias Wiesner: Guten Tag.  

Mario D. Richardt: Kann man denn als Diabeteserkrankter ein Leben führen, wie vor der Diagnose oder schwirrt die Krankheit irgendwie in jeder Minute durch den Kopf, weil man eben ständig darauf achten muss, wann man was isst,was man isst und oftmals ja auch Insulin spritzen muss? 

Dr. Tobias Wiesner: Also wenn man jede Minute an seine Erkrankung des Diabetes denken müsste, wäre das ja schrecklich und furchtbar. Also nein, so ist es nicht. Wir haben natürlich alle die schrecklichen Nachrichten, die schrecklichen Bilder, diese schrecklichen Erzählungen im Kopf, dass einmal Diabetes, immer Diabetes bedeutet, das Leben vorbei ist, es gibt keine Freude mehr gibt und man auf alles verzichten muss. Das ist tatsächlich über viele Jahre so gewesen. Ich erzähle sehr gerne die Anekdote, als ich ganz junger Assistenzarzt hier in Leipzig war. Das war so kurz nach den 90ern, also die Wende war gerade da, da erzählte mir eine Patientin, die über viele Jahre ihren Diabetes Typ 2 schon hatte, dass sie immer in die sogenannte Diabetesklinik gehen musste. Zu DDR-Zeiten gab es da einen großen Wartesaal, wohl ein sehr imponierender Wartesaal, und in diesem Wartesaal hing alles das, was sie als Diabetiker nicht essen darf. Und da hingen Weintrauben und da hingen Orangen und das war natürlich insofern auch noch böse, dass der durchaus mangelgewohnte DDR-Patient alles sah, was er nicht bekam und das auch noch nicht essen durfte. Also insofern, das hat sich Gott sei Dank geändert, es ist so, dass, wir natürlich ein Leben so nah an der Normalität wie es andere nicht Diabetes erkrankte haben, dem Patienten auch ermöglichen wollen. Darum muss es uns gehen und ich habe mal einen klugen Satz von einer von mir sehr geschätzten Kollegin gehört, die sagte zu dem Seelenbild des Diabetespatienten: “Der Wunsch nach einem normalen und gesunden Leben ist normal und gesund”. Und das, glaube ich, sollten wir mit unseren Therapiemöglichkeiten den Patienten auch ermöglichen. Deswegen ist es aber wichtig, dass der Patient weiß, was seine Erkrankung eigentlich bedeutet, wie er sie beeinflussen kann und was es im Alltag bedeutet dies oder jenes zu tun. Deshalb, glaube ich, müssen wir den Patienten befähigen, mit seiner Erkrankung umgehen zu können.  

Mario D. Richardt: Das ist nämlich im Prinzip schon die nächste, denn warum ist es denn so wichtig, dass man sich eben mit der Erkrankung auseinandersetzt und genau versteht, was da im Körper vor sich geht? 

Dr. Tobias Wiesner: Also das ist ja so, dass es ja so ein komplexes Bild ist, die Diabeteserkrankung. Ich habe hohe Glukosewerte, ich muss Medikamente nehmen oder ich muss Insulin spritzen, ich habe zu niedrige Werte, weil ich entweder zu wenig gegessen habe oder zu viel Insulin gespritzt habe und da geht das Problem ja schon los. Wenn ich nicht weiß, welche Konsequenz eine Handlung in mir auslöst und ich nicht verstehe welche zum Beispiel Kohlenhydratmenge in bestimmten Mahlzeiten und in bestimmten Nahrungsprodukten sind, dann kann ich darauf nicht reagieren. Dann weiß ich nicht, warum plötzlich hier der Blutzuckerwert sehr hoch ansteigt. Also insofern ist es da ganz wichtig zu wissen, was kann ich beeinflussen, wie kann ich es beeinflussen, wie kann ich durch den Konsum von bestimmten Dingen oder dem Verzicht auf bestimmte Dinge dafür sorgen, dass es mir besser geht und ich tatsächlich ganz entspannt durch meinen Alltag komme, ohne groß beeinträchtigt zu sein?  

Mario D. Richardt: Ist es dann nicht viel einfacher für den Patienten die Verantwortung komplett an den Arzt abzugeben? Weil er wird sich ja im Prinzip dann schon kümmern und die richtigen Mittelchen verschreiben.  

Dr. Tobias Wiesner: Das machen wir. Wir kümmern uns und wir verschreiben auch die richtigen Mittelchen. Und zu den richtigen Mittelchen gehört auch, dass wir Bewegung oder einen adäquaten Lebensstil, was das Essen betrifft, verschreiben. Also wir müssen uns einfach überlegen, wie häufig ist ein Patient in einem Arzt-Patienten-Kontakt. Und wir haben so diverse Daten in Deutschland, wie viel Zeit verbringt ein Patient mit einer chronischen Erkrankung pro Quartal, also pro drei Monate, mit seinem Arzt. Dann kommen da, so je nach Erkrankung, zwischen sieben und 30 Minuten raus und wenn ich das jetzt mal hochrechne pro Quartal, wie viel Stunden am Tag ist der Patient mit seiner Erkrankung alleine, kommen 24 mal sieben mal 90 Tage. Da sehen wir ja diese 15 Minuten, nehmen wir sieben im Schnitt. Es sind deutlich weniger, als der Patient mit seiner Erkrankung zu Hause ist. Also insofern ist es wichtig, dass der Patient weiß, was es bedeutet, was diese Erkrankung für ihn ausmacht und, dass er da im Alltag auch das Handwerkszeug hat. Nur der informierte Patient mit einer Diabeteserkrankung kann Einfluss auf die Diabeteserkrankung nehme. Und das ist uns Diabetologen was ganz, ganz wichtiges, den Patienten befähigen im Alltag zurecht zu kommen. Das ist das Schulungskonzept. Da sind wir in Deutschland tatsächlich extrem stolz. Wir sind eines der ersten Länder oder wir sind das erste Land gewesen, was eine flächendeckende Diabetesschulung Ende der 70er, Anfang der 80er auf den Weg gebracht hat, damit die Patienten befähigt werden, mit ihrer Erkrankung zurechtzukommen. Also weg von diesem betreuenden, väterlichen paternalistischen Betreuungsprinzip, sondern den Patienten zum Partner machen, zum gleichwertigen Partner und die Möglichkeit geben, dass er mit seiner Erkrankung umgehen kann. Das ist etwas, was man in Diabetesschulungen machen kann. Wir haben tatsächlich für diverse Fragenstellungen des Diabetes unterschiedliche Schulungsprogramme, unterschiedliche Schulungsmodule. Das müssen wir dem Patienten anbieten, damit er mit der Erkrankung auch umgehen wird.  

Mario D. Richardt: Und wahrscheinlich gibt es auch ab und zu so eine Art Auffrischungsschulung? 

Dr. Tobias Wiesner: Oh, da sprechen Sie ein Thema an, was mir sehr auf der Seele brennt. Natürlich ist Auffrischungsschulung was ganz, ganz wichtiges. Es geht ja darum, Schulung ist ja immer so was verhaltenstherapeutisches, was ich machen ich, damit es mir besser geht. Wenn wir uns alle an unsere verhaltenstherapeutischen Überlegungen, die wir am 31.12. eines Jahres treffen, was wir alles anders, was wir alles besser machen wollen, ich glaube, reicht das bei den meisten deutlich länger mit den guten Vorsätzen als bei mir. Ich schaffe es mittags am 01.01.2022 die alle wieder über den Haufen zu werfen. Nichtsdestotrotz ist es etwas, was wir ändern wollen, im Alltag, etwas, was man auffrischen muss. Und deswegen müssen wir natürlich auch Auffrischungsschulungen anbieten und da gebe ich zu, haben wir an manchen Stellen bei den Kostenträgern durchaus noch geschlossene Türen zu öffnen, damit die verstehen, dass man nach einiger Zeit einen Patienten wieder mit einer Schulung, mit einer Auffrischungsschulung versorgen sollte.  

Mario D. Richardt: Im heutigen digitalen Zeitalter gibt es ja auch viele Hilfsmittel, die Diabetiker nutzen können, zum Beispiel auch bestimmte Apps. Wie sind denn da Ihre Erfahrungen damit? Also können diese Anwendungen auf dem Smartphone das Leben von Diabetikern deutlich erleichtern?  

Dr. Tobias Wiesner: Ich bin davon überzeugt, dass die richtige App bei dem richtigen Patienten einen deutlichen Vorteil für Lebensstilintervention, als auch für Lebensqualität sorgen kann. Es ist ja vom Gesetzgeber die Kategorie der digitalen Gesundheitsanwendung, die sogenannte DiGA, geschaffen worden. Diese DiGAs werden tatsächlich darauf getestet, also in kontrollierten Studien, ob sie in einer Gruppe von Patienten mit einer bestimmten Erkrankung für eine Verbesserung der Alltagsfähigkeit, sprich der Lebensqualität sorgen. Da gibt es derzeit schon unterschiedliche digitale Gesundheitsanwendungen . Leider gibt es noch nicht so viel in der Diabetologie. Das hat einfach auch was mit dem Zulassungsprozess  und etwas mit den noch laufenden Studien zu tun, aber ja, ich glaube, dass man eine App, die einem zum Beispiel hilft bei der Entscheidungsfindung einer Mahlzeit, die mir nicht nur sagt, wie viel Kalorien da drin sind, sondern mir hilft, zu entscheiden, ob ich dies esse oder ob ich jenes esse, nutzen kann. Oder eine digitale Gesundheitsanwendung, die nicht nur sagt, was ich jetzt gegessen habe, sondern wenn die die Information schon bekommen hat, mir auch sagen kann, wie viel Insulin ich spritzen soll. Oder eine DiGA, die mir dann auch noch sagt, Du bist noch nicht bei Deinen 8.000, 9.000, 10.000 was auch immer Schritten, es wäre klug, wenn Du das jetzt noch machen würdest, die einfach so dieses Motivationskick im Alltag noch mitgibt. Es gibt gute Daten, dass das funktioniert und dass das etwas ist, was uns im Alltag helfen kann. Also ich bin ein großer Freund davon und würde mich sehr freuen, wenn der Gesetzgeber solche digitalen Gesundheitsanwendungen noch verstärkt und die Zulassungsschranke nicht ganz so hoch legt. Das gebe ich ganz offen zu. Insofern glaube ich, dass man mit Apps viel im Alltag erreichen kann.  

Mario D. Richardt: Aber können Sie auch ältere Patientinnen und Patienten dafür begeistern? Denn es gibt ja halt auch sehr viele ältere Diabeteserkrankte, trauen die sich da ran? 

Dr. Tobias Wiesner: Also, vielleicht erst mal ganz allgemein oder so ein bisschen politisch gesprochen, hat der Gesetzgeber natürlich festgelegt, dass es keine App geben darf, die nur füreine Patientengruppe, also die jung dynamischen mit roten Haaren funktioniert, sondern es muss für alle funktionieren. Und das ist tatsächlich eine Anforderung, die stellt natürlich viele App-Hersteller vor große Schwierigkeiten diese App so zu kreieren. Aber ich selbst darf mit mehreren Kollegen so eine App gerade mal testen, uns mal angucken und wir sind alle überrascht, wie viel Digitalkompetenz ältere Patienten dann doch haben und wie viel Kompetenz auch die App-Hersteller inzwischen gelernt haben, diese Apps für die älteren Patienten entspannt funktionieren zu lassen. Ich glaube, das ist auch etwas, was einfach der Anspruch sein muss, Digitalisierung, alles, was Technologisierung betrifft, muss immer vom Anwender gedacht werden. Viele Jahre haben wir uns auf die App eingestellt und manch App-Hersteller hat sich gewundert, warum es nicht funktionierte. Wenn wir aber sehen, dass die App so konstruiert ist, dass sie unkompliziert, ganz einfach vom Patienten anzuwenden ist, dann wird sie auch funktionieren. Und da sehe ich tatsächlich deutliche Entwicklungen in den letzten Wochen, Monaten und tatsächlich, dass da viel passiert, auch für die älteren Patienten.  

Mario D. Richardt: Und die müssen es wahrscheinlich einfach bloß einmal gezeigt bekommen und dann flutscht es. 

Dr. Tobias Wiesner: Das ist tatsächlich bei diesen Systemen der DiGA auch mit enthalten, dass das so eine Einweisung in dieses System geben sollte, damit es dann angewendet werden kann. Und wenn Sie den Vorteil sehen als Patient, dann versuchen Sie auch es anzuwenden. Natürlich erreiche ich nicht jeden. Bei allen Einschränkungen oder bei allen Forderungen, die man hat, aber ich glaube, man sollte auch nur die App verwenden, und nicht einfach aus dem App-Store etwas herunterladen, die tatsächlich auch gezeigt hat, dass sie was bringt und sie anwendbar ist.  

Mario D. Richardt: Jetzt muss der Diabetiker dran denken Tabletten zu nehmen, vielleicht oder Insulin zu spritzen, muss daran denken Blutzucker zu messen. Ist es denn nötig, dass er auch noch ein Tagebuch führt, ein Diabetestagebuch?  

Dr. Tobias Wiesner: Oh, das ist so ein Wespennest, in was wir hier beide gerade reinstechen. Meine digitale Affinität habe ich ja schon gestanden, also ein Patient, der daran denkt, seine Tabletten zu nehmen, der daran denkt, sein Insulin zu spritzen, der daran denkt, seinen Blutzuckerwert zu messen und das digital dokumentiert, der muss es für mich nicht extra noch aufschreiben. Also das ist etwas, worauf ich sehr schön verzichten kann und wir haben natürlich auch sehr schöne Systeme, in denen man diese ganzen Dokumentationen auch exportieren und mit dem Arzt teilen kann. Es gibt bestimmte Systeme, die ich auslesen kann. Gerade beim Typ 1 Diabetesbereich gibt es Systeme, in die ich hereinschauen kann. also immer vor dem Hintergrund der Datenschutzgrundverordnung, die wir für was ganz Wichtiges in Deutschland betrachten, kann ich das mit Patienten teilen. Aber ich gebe auch zu, ich habe so ein paar Kollegen, die sagen, wenn der Patient ohne Tagebuch zu mir in die Praxis kommt, dann hat er ein Problem. 

Mario D. Richardt: Oh.  

Dr. Tobias Wiesner: Das sehe ich nicht ganz so Ich denke, wir reden ja gerade über Alltagsfähigkeit und ein Tag hat auch für den Diabetespatienten, habe ich mir sagen lassen, nur 24 Stunden. Wenn ich jetzt noch zusätzliche Zeit investieren muss, um den Glukosewert zu messen, dann weiß ich nicht, wo ich diese Zeit noch hernehmen sollte. Also ich persönlich wäre bestimmt ein ganz, ganz schlechter Tagebuchschreiber.  

Mario D. Richardt: Jetzt haben Sie gesagt, Sie sind teilweise ja auch dann so ein bisschen vernetzt und können die Daten auslesen. Ist es so, dass Sie dann den Herr Müller anrufen und sagen: „Herr Müller, Sie haben die letzten drei Tage ganz schön über die Stränge geschlagen.“ Ist das schon möglich? 

Dr. Tobias Wiesner: Nein. Also das könnte man natürlich machen aber mache ich nicht. Es geht ja darum den Alltag so normal wie möglich zu machen. Ich möchte ja auch nicht, dass Müller irgendwie die Chance hat zu sehen, was ich gestern Abend gegessen habe. Also ich weiß, dass ich gestern Abend wahrscheinlich zu viel von dem Geburtstagskuchen, den meine Tochter für ihren Großvater gebacken hat, gegessen hab, das möchte ich auch nicht, dass Herr Müller das sieht. Also es ist tatsächlich so, bei solchen vernetzten, geteilten Systemen, dass der Patient, die Patientin sich bei mir melden kann und sagt: „Lieber Doktor, wollen wir zusammen mal reinschauen, ich habe hier ein Problem erkannt“ und dann gucken wir da zusammen rein. Aber um es mal so umgangssprachlich zu formieren, ich stalke meine Patienten nicht. Wir haben ganz klares Behandlungsagreement. Wenn Du eine Frage zu Deinen Glukosewerten hast, dann gucke ich rein und wenn der Patient zu mir in die Praxis kommt und wir gemeinsam in das System hereingucken, dann frage ich auch immer diese Frage: „Darf ich es mir mit Ihnen zusammen angucken?“ Das sind seine Daten und die Patienten, bei dem die Daten anfallen, dem gehören auch die Daten aus meiner Sicht. Da muss man so ein bisschen noch dieses Prinzip Daten, medizinische Daten, unter dem Blickwinkel verschiedenster Protagonisten betrachten, aber der Patient hat aus meiner Sicht die Hauptentscheidungsgewalt darüber.  

Mario D. Richardt: Ich stelle mir das ein bisschen schwierig vor. Da ist man bei einem Date oder beim Geschäftsessen und muss sich zwischendurch erst mal um sein Diabetes kümmern. Sollte man da eher offensiv mit umgehen oder diskret? Also dass man sich dann zum Beispiel in den Waschraum zurückzieht oder sollte man eher offensiv dann damit umgehen? Es könnte ja auch peinlich werden.  

Dr. Tobias Wiesner: Also es gibt sicherlich, fangen wir mit Geschäftsessen an, erst mal die harmlosere Variante, immer die Frage, inwieweit man da auf Verständnis trifft. s gibt sicherlich konservative Geschäftsfelder und es gibt progressivere Geschäftsfelder. Ich glaube, das muss man so ein bisschen situativ abhängig machen. Ich habe tatsächlich alles schon erlebt, von absoluter Ablehnung eines Patienten mit einer Typ 1 Erkrankung, deswegen den Job nicht bekommen oder in der Probezeit gekündigt, bis, dass Patienten sehr viel freudiger bei einem Unternehmen genommen worden sind, denn wenn sie den Diabetes meistern, dann meistern sie auch die Arbeit im Job. Also alles ist möglich. Die Frage nach dem Date stellt sich natürlich auch. Man muss natürlich eine scheinbare, ich sage extra scheinbare Schwäche dann zeigen. Ich habe eine chronische Erkrankung und für einen unaufgeklärten Partner, zukünftigen Partner ist es natürlich nicht immer ganz einzuschätzen, was das jetzt für mich heißt. Wie viel Einschränkung ist denn da tatsächlich? Und da ist es ganz wichtig, dass wir zusammen mit dem Patienten auch Aufklärungsarbeit leisten, dass die Diabeteserkrankung nicht zwingend eine Charakterschwäche ist, wie ich manchmal so umgangssprachlich sage. Das ist eine Erkrankung, die unterschiedlichste Auslöser hat und der Patient, wenn er aktiv mit seiner Erkrankung umgeht, ist eigentlich der perfekte Datekandidat, denn wenn er aktiv mit einer chronischen Erkrankung für sich sorgt, wird er auch für das Date sorgen.  

Mario D. Richardt: Und irgendwann kommt es ja sowieso heraus, oder?  

Dr. Tobias Wiesner: Irgendwann kommt es sowieso heraus. 

Mario D. Richardt: Ich meine, es kommen ja auch dann Fragen auf, was machst denn Du da schon wieder auf der Toilette, was hast Du denn schon wieder? 

Dr. Tobias Wiesner: Oder was trägst denn Du da, wenn Du Dich da gerade dann doch Deines Jacketts entledigst?  

Mario D. Richardt: Genau. Kann man denn diskret Blutzucker messen?  

Dr. Tobias Wiesner: Also den Blutzucker diskret messen, das funktioniert nicht so einfach, weil Blutzucker hat immer was mit Blut zu tun und der Stich in den Finger, der geht nicht anders, das funktioniert nicht. Aber man kann diskret den Glukosewert messen. Man kann also mit diesen neuartigen Sensoren, die in der Haut getragen werden, so eine ganz kleine Nadel, die also im subkutanen, also im Unterhautgewebe liegt, den Gewebewert messen und überträgt diesen Gewebsglukosewert dann entweder an ein Lesegerät oder sogar ans Handy. Und mit neuen Handys, die gekoppelt mit einer Smartwatch sind, sitze ich bei einem Date nicht nur da und gucke zufällig, wann dieses Date jetzt dann doch oder dann doch nicht vorbei ist, sondern kann auch den Glukosewert ablesen.  

Mario D. Richardt: Also das ist schon ganz innovativ, dass man sich eben nicht fünfmal am Tag in den Finger pieken muss. Wie erkennt man denn eine Unterzuckerung?  

Dr. Tobias Wiesner: Die Unterzuckerung ist ja das, was wir eigentlich als Notfall in der Diabetologie bezeichnen. Also eine Unterzuckerung, das heißt, es ist viel zu wenig Glukose da. Glukose brauche ich für Energiebereitstellung. Eines der selbstsüchtigsten Organe, was wir hinsichtlich Glukose haben, ist unser Gehirn. Das heißt, das Gehirn funktioniert nur mit Glukose, es kann nichts anders verstoffwechseln und ein Viertel unserer Energiemenge, die wir im Körper haben, wird tatsächlich vom Gehirn gezogen. Deswegen gibt es auch dieses Konzept des selbstsüchtigen Gehirns.Kleiner Wermutstropfen, viel denken sorgt nicht für mehr Glukoseumsatz und deswegen mehr Kalorienverbrauch. Nichtsdestotrotz, wenn viel zu wenig Glukose da ist, fehlt tatsächlich die Glukose im Gehirn. Das heißt, all die Prozesse, die im Gehirn ablaufen, kluges Denken, kluges Reden, Wahrnehmung fallen dann tatsächlich aus und der Patient kann in eine Bewusstlosigkeit kommen, kann zum Beispiel eine verwaschene Sprache bekommen. Das sind so Mechanismen, die uns anzeigen, dass es zu einer Unterzuckerung gekommen ist. Dann gibt es noch andere Symptome, die der Gegenregulation. Also der Körper versucht sich aus dieser Unterzuckerung heraus zu retten und dieses Retten aus der Unterzuckerung heißt, dass er Hormone ausschüttet, die versuchen gegen das Insulin zu arbeiten, das heißt, die den Zucker aus Leber, aus Muskeln et cetera herausholen und das sind leider alles Stresshormone oder Gott sei Dank Stresshormone. Diese Stresshormone sorgen also dafür, dass Zucker aus diesen Speicherorganen herausgeholt wird, aber wenn man sich so an Stresshormone erinnert, dann sind diese Stresshormone, an Prüfungssituationen erinnere ich, die, die einhergehen mit Schwitzen, kaltem Schweiß auf der Stirn, Herzrasen, Unruhe, Zittern. Das sind alles so diese Wirkungen, dieser gegen das Insulin arbeitenden Stresshormone und das ist auch das Symptom der Unterzuckerung. Also ich habe eine Konzentrationsschwäche und fühle mich auch nicht gut, das ist so das klassische Symptom einer Unterzuckerung. Ich habe alles schon erlebt an Unterzuckerung bei Patienten, vieles schon berichtet bekommen, also komplexe Fehlhandlungen, Patient hat zum Beispiel statt das Handy in die Hand zu nehmen, das Handy in den Kühlschrank gelegt, weil der Patient wusste, er muss, wenn er eine Unterzuckerung hat, was essen und sich Hilfe holen und dann komplett fehlgehandelt. Handy in den Kühlschrank. Ich habe es auch schon erlebt, dass Patienten in Prüfungssituationen seltsame Sachen gesagt haben und nur weil der Prüfer dann doch irgendwie die Ahnung hatte, das kann so nicht echt sein, gefragt hat, ob es denn ein Diabetes gäbe und wenn das so wäre, soll bitte Blutzucker gemessen werden. Und dann hat dieser Patient nach ausgleichender Unterzuckerung die Prüfung mit Bravour bestanden, Das ist so das Beispiel für mich immer. Patient war in einer Prüfungssituation, hat sich unruhig gefühlt, kaltschweißig, Herzrasen, zittern, das kann die Prüfungssituation sein, aber es war bei ihm die Unterzuckerung. Also insofern ist es das unspezifische Symptom, aber auch sehr dramatische Symptome. Und zwei Sachen sind mir noch wichtig bei der Unterzuckerung. Die eine ist, es gibt den Satz, eine Unterzuckerung bahnt die nächste, das heißt, Sie müssen immer dafür sorgen, dass wenn Unterzuckerungen aufgetreten sind, herauszubekommen, was die Ursache war. Und dann diesen Teufelskreis zu durchbrechen und die zweite Aussage ist, Unterzuckerungen gehören in ein aktuelles Therapieregime nicht mehr hinein. Früher war das so. Früher sagte man, wenn man keine Unterzuckerung hat, dass der Blutzucker, beziehungsweise Diabetes nicht richtig eingestellt, das ist heutzutage nicht mehr. Unterzuckerung sollte keiner erleiden.  

Mario D. Richardt: Aber was Sie eben sagten, dann kann das also durchaus sein, dass mein Gegenüber zuerst mitbekommt, dass ich unterzuckert bin, als ich selbst?  

Dr. Tobias Wiesner: Das ist leider einer der schlimmsten Symptome und Situationen, die Patienten immer wieder berichten. Wenn der Gegenüber, meistens die Ehefrau, der Ehemann sagt: „Ach, miss doch mal den Blutzucker und Du bist doch bestimmt wieder unterzuckert“ und der Patient in dem Augenblick noch gar nichts gemerkt hat und das ist eine der schlimmsten Situationen, wenn der Gegenüber sagt: „Wie fühlst Du Dich?“ und deswegen, auch das ist etwas, was durchaus stressbehaftet ist, besprechen wir das mit dem Patienten, dass man das nicht verbalisieren muss, sondern das wortlos herüber geschobene Glas Orangensaft, Apfelsaft, Cola hilft da manchmal mehr, also dieses verbalisieren: „Du hast doch bestimmt eine Unterzuckerung.“ Der Patient kann dann das reflektieren und das ist tatsächlich so? Kollegen, die sich seit vielen Jahren kennen, machen das manchmal sehr viel wortloser, als manch Ehepaar, was noch nicht so lange Erfahrungen hat.  

Mario D. Richardt: Aber im Prinzip gehört das zum Leben mit Diabetes dazu, dass man immer auch vielleicht ein bisschen Traubenzucker in der Tasche hat, vielleicht eine Cola oder irgendwas anderes Süßes.  

Dr. Tobias Wiesner: Diesen Sicherheitsmechanismus sollte tatsächlich jeder Patient, der das Risiko für eine Unterzuckerung hat, das sind alle Typ 1 Patienten, die Insulin spritzen, dabei haben. Also der berühmte Traubenzucker, das Colafläschchen oder den Tetra Pak mit Saft. Das ist was ganz Wichtiges. Wir haben natürlich auch andere Möglichkeiten neuerdings, das heißt, wir haben auch den direkten Gegenspieler des Insulins, das sogenannte Glukagon, entweder als Spritze oder ganz neu, jetzt auch als Nasenspray. Sehr unkompliziert, sodass Patienten, die nahe an einer Unterzuckerung sind, wo sie zu dieser komplexen Handlung des Traubenzuckertäfelchen auspacken oder die Coladose aufreißen, nicht mehr fähig sind, von informierten Angehörigen dieses Glukagon-Nasenspray bekommen und aus der Unterzuckerung heraus geholfen bekommen.  

Mario D. Richardt: Wie schnell kann das wirken?  

Dr. Tobias Wiesner: Das wirkt sehr schnell, also in 10 Minuten ist das sofort da. Flutet schon nach wenigen Minuten an, also insofern ist das ein sehr verlässliches Instrument der Hilfe bei einer Unterzuckerung. Es gibt so einen kleinen Wermutstropfen, das Glukagon funktioniert nicht, wenn die Unterzuckerung durch Alkohol verursacht. Alkohol blockiert leider unsere Leber, was die Produktion oder die Freisetzung von Glukose betrifft, also das müssen Patienten wissen. Wenn ein Patient eine Unterzuckerung hat, die in irgendeinem Zusammenhang mit Alkoholgenuss einhergeht, dann ist Glukagon nicht die richtige Wahl.  

Mario D. Richardt: Aber da sind wir im Prinzip schon beim nächsten Part. Wie ist es denn grundsätzlich mit Diabetes, wenn man auf eine Geburtstagsfeier oder auf eine Firmenfeier geht? Muss man sich da irgendwie vorher vorbereiten, muss man auf vieles verzichten? Wie verhält man sich am besten als Patient?  

Dr. Tobias Wiesner: Also ich habe heute gerade, vor wenigen Stunden eine Patientin vor mir sitzen gehabt, die sich bei mir entschuldigt für die Glukosewerte des letzten Wochenendes, weil das war die für sie tolle und schöne Hochzeit ihrer Enkelin. Wir haben uns zusammen die Glukosewerte angeguckt und als ich draufgeguckt habe und die ein bisschen höheren Glukosewerte gesehen habe, habe ich gesagt, sie hätte alles richtig gemacht. Wenn ich keine höheren Glukosewerte gesehen hätte, dann wäre es die falsche Party gewesen. Also es gehört natürlich im Alltag dazu. Wenn ich ein Patient jetzt habe, der jeden Tag eine Party macht, mit hohen Glukosewerten in der Konsequenz, dann müssten wir uns sicherlich über die Partyfrequenz unterhalten. Aber wenn ich weiß, was ich im Alltag machen kann und was ich machen muss, wenn ich weiß, wie ich im Alltag Einfluss nehmen kann, dann gehört auch immer mal eine Festivität dazu, wo ich es mir auch mal gutgehen lasse. Ich brauche ja auch Belohnungssysteme. Nicht immer und nicht ständig, aber durchaus so, dass das Leben auch etwas ist, was mit Freude assoziiert ist. Nichtsdestotrotz sollte man sich natürlich bei bestimmten Sachen, die etwas länger dauern, ich denke da zum Beispiel an eine Asienreise, Gedanken machen. Machen wir mal jetzt den Urlaub, also drei Wochen Asienreise, da wird schon anders gekocht. Da wird auch teilweise sehr viel kohlenhydratreicher gekocht. Wenn ich mich da so ein bisschen kundig mache, in welche Richtung das Essen geht, wenn ich mich so ein bisschen kundig mache, was etwas ist, was die Getränke betrifft, dann ist das schon richtig und sinnreich. Nichtsdestotrotz ist der Alltag, der Alltag und die Ausnahmen sind die Ausnahmen und die sollte ich genießen.  

Mario D. Richardt: Aber dann lassen Sie uns doch gleich beim Urlaub bleiben. Wie bereitet man sich da am besten vor? Sollte man vielleicht auch sogar die wichtigsten diabetischen Begriffe in den jeweiligen Landessprachen lernen, damit man im Notfall ja, sich artikulieren kann?  

Dr. Tobias Wiesner: Also ganz wichtig ist natürlich auf die Reise nicht einfach nur mit einem Reisepass zu gehen. Wenn ich eine bestimmte Therapie habe, dann sollte ich Sicherheitsmedikamente mitnehmen. Also wenn ich weiß, ich brauche nur ein Pen, wäre es klug, noch einen weiteren Pen mitzunehmen. Wenn ich Medikamente brauche, sollte ich diese Medikamente mitnehmen. Im Rahmen der Reiseeinschränkungen der letzten Jahre ist es auch sicherlich so, dass ich nachweisen sollte, warum ich bestimmte Medikamente bei mir führe. In jeder Arztpraxis, in jeder diabetologischen Arztpraxis gibt es sogenannte Reisebescheinigungen, wo ich dann also angekreuzt habe oder angekreuzt bekomme, was ich jetzt alles mit auf die Reise mitnehmen kann, damit ich am Zoll keine Probleme bekomme. Das ist mit Reiseeinschränkungen gemeint. Wichtig ist, auch die Dinge im Handgepäck zu haben. Es macht tatsächlich keinen Sinn, die Dinge in den Koffer zu tun. Wir alle haben schon mal einen Koffer von der Ferne gesehen und dann nicht am Eingangsort oder am Zielort wieder bekommen. Also insofern Handgepäck. Wenn ich in heiße Gebiete fahre, sollte ich mir tatsächlich überlegen, ob ich die Möglichkeit habe, das in irgendeiner Art und Weise zu kühlen, also vorsichtig zu kühlen. Da geht zum Beispiel der Hotelzimmerkühlschrank, dann gibt es so kleine Behältnisse, die Kälte für ein paar Tage halten. Also solche Sachen sollte man tatsächlich beachten. Es gibt auch von bestimmten Firmen Broschüren, in denen die wichtigsten Begriffe, die was mit Diabetes zu tun haben, drinstehen und man sollte natürlich immer die Auslandskrankenversicherung überprüfen, ob sie in dem Land dann auch greift, weil bestimmte äußere Bedingungen können gerne mal zu einer Fehlfunktion des Diabetes führen. Und ins Auslandskrankenhaus gehen, ist deutlich preiswerter, als es bei uns ist.  

Mario D. Richardt: Wenn wir grad noch mal beim Reisen sind und auch bei warmen Gebieten, wo es hingeht, welchen Einfluss haben denn zum Beispiel Sonnenbäder oder Hitze auf die Wirkung des Insulins?  

Dr. Tobias Wiesner: Also das ist tatsächlich etwas, was wir unseren Patienten immer wieder sagen müssen. Wenn ich mir Insulin spritze und mich dann an den Pool in die Sonne lege, dann ist durch diese Sonneneinstrahlung die Hautdurchblutung deutlich größer und das Insulin wird deutlich schneller abtransportiert. Es kann eine deutlich schnellere Wirkung haben und kann eine deutlich höhere Wirkung haben. Das muss man sich tatsächlich vor Augen führen, dass Sonne zu einer Veränderung der Insulinwirkung führen kann. Und dann denke ich natürlich auch an den anderen Umstand, dass wenn ich sehr lange und sehr intensiv in der Sonne bin, es auch zu einer Verschiebung meines Wasserhaushaltes kommt, wenn ich dem nicht nachgebe, wenn ich nicht ausreichend trinke. Das heißt, das Blut wird dicker, Glukose wird langsamer abtransportiert, das heißt, das kann tatsächlich auch zu einer Entgleisung des Blutzuckers kommen, einfach, weil ich dehydriert bin. Also auch ausreichend trinken, wenn ich in heißen Gebieten bin.  

Mario D. Richardt: Und wenn es ein All-Inklusive-Urlaub ist, dann sollte man auch nicht zu oft zu tief ins Glas schauen, oder? Also Alkohol ist jetzt auch nicht so pralle, oder?

Dr. Tobias Wiesner: Definitiv ist das nicht der Fall. Ich sage ja immer, lieber seltener aber guten und nicht nur den all inklusiven machen, aber wie gesagt, ein All-Inklusive-Urlaub, drei Wochen, das kann schon manchmal ganz schön zu einer Entgleisung jeglicher Stoffwechselprozesse im Körper führen. Nichtsdestotrotz habe ich ja viel Verständnis für den Alltag, aber ich gebe ganz offen zu, die Lektüre von Glukosekurven nach einer zum Beispiel dreiwöchigen All-Inklusive-Kreuzfahrt sind dann doch für den Diabetologen nicht immer mit großen Freuden vereinbar.  

Mario D. Richardt: Wir haben vorhin über die Unterzuckerung gesprochen. Dann interessiert mich jetzt natürlich noch, was passiert bei der Überzuckerung? Ist das auch so gefährlich, sage ich jetzt mal? 

Dr. Tobias Wiesner: Das Gefährliche an der Überzuckerung ist tatsächlich der Umstand, dass die Überzuckerung nicht wehtut. Das heißt, wenn ich den Glukosewert nicht messe, habe ich wenig Chancen festzustellen, dass ich hohe Glukosewerte habe. Wenn die über lange Zeit einhergehen, dann sehe ich das tatsächlich erst, wenn ich zum Beispiel den Langzeitblutzuckerwert beim Arzt messe oder wenn ich den Glukosewert beim Arzt messe. Das Problem ist aber, diese hohen Glukosewerte, die, und da wiederhole ich mich, nicht wehtun, dann natürlich dazu führen, dass es zu Veränderungen an den Organen kommen kann, dass also Komplikationen auftreten können. Das ist über lange Zeit natürlich der Fall. Höhere Glukosewerte können dann aber auch dafür sorgen, dass es zu solchen Akutsituationen kommt, wie Zuckerausscheidung über die Niere. Das heißt, der Urin wird süß und Bakterien lieben süßen Urin. Das heißt, das kann, wenn ich zum Beispiel im Urlaub bin, hohe Glukosewerte habe, ungewohnte Umgebung, häufig im Pool sein,, die Schleimhaut wird sowieso so ein bisschen aufgeweicht, wenn ich da einen Harnwegsinfekt bekomme, durch die hohen Glukosewerte, kann das schon ganz schön schmerzhaft sein und auch länger dauern. Und dann ist es natürlich auch so, dass, wenn ich kleine Wunden bekomme, bei bestimmten Urlaubsaktivitäten, Sport et cetera, können die langsamer heilen. Also insofern ist der hohe Glukosewert etwas, was häufig nicht eindeutig zu messen ist, wenn ich ihn nicht messe aber doch solche Konsequenzen haben kann, die mir den Urlaub ganz schön vergällen können.  

Mario D. Richardt: Aber wie wichtig ist denn Bewegung im Diabetesalltag, also ist alles möglich an Sport? Gibt es Sportarten, die man nicht machen sollte? Kann ich alles machen?  

Dr. Tobias Wiesner: Eigentlich sollte ich jeden Sport machen, der mir Spaß macht und mit dem ich im Alltag gut zurechtkomme. Das kann für Patienten durchaus unterschiedlich sein. Also insofern ist es ja so, dass Bewegung das wichtigste und unkomplizierte Instrument ist. Und die Sportmediziner sagen immer wieder diesen schönen Satz: “Sport ist das Medikament mit den geringsten Nebenwirkungen.” Ja, ich höre von vielen Patienten, auch bei mir selbst natürlich, Muskelkater, Schmerzen hier, Schmerzen da, nichtsdestotrotz, wenn ich etwas regelmäßig und häufig an Bewegung mache, dann setzt der Trainingseffekt ein. Das heißt, das Insulin kann besser wirken und ich brauche weniger Insulin. Der Trainingseffekt setzt ein und ich verliere durchaus Gewicht oder baue Fett in Muskelmasse um. Das ist ja eine der Nebenwirkungen von Bewegung aber auch die gewünschteste und wenn ich Bewegung in den Alltag integriere, dann ist es tatsächlich so, dass ich Insulin Einsparung alleine durch diese Bewegung erreiche. Und dann gibt es noch diese Daten der Sportmediziner, die sagen, wer sich bewegt, lebt durchaus länger gesünder. Ob er viel länger lebt, da gibt es widersprüchliche Aussagen, aber er lebt gesünder und im Alltag fitter.   

Mario D. Richardt: Dr. Wiesner, es war mir wieder ein Vergnügen. Vielen Dank.  

Dr. Tobias Wiesner: Ja ebenso, herzlichen Dank.