Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In mehreren Podcastepisoden geht es um Bluthochdruck. Wir führen Sie durch jede Phase der Erkrankung, damit Sie immer gut informiert sind. In der letzten Episode zum Thema Bluthochdruck sprach ich mit einer Patientin über Bluthochdruck und auch diesmal habe ich wieder jemandem am Mikrofon, der uns seine Erfahrungen mit der Krankheit teilt.  Willkommen bei Chronisch Mensch, einem Podcast von apo.com.

Betroffene über ihr Leben mit Bluthochdruck

Ralph Rotter

Spricht über sein Leben mit Bluthochdruck.

Transkript der Folge „Ich habe Bluthochdruck (2)“

Mario D. Richardt: Ich habe Bluthochdruck. So heißt es zum zweiten Mal bei Chronisch Mensch und diesmal geht es um einen völlig untypischen Patienten, weil er einfach mal noch ziemlich jung ist. Ich spreche mit Ralph Rotter, er ist 41 Jahre jung und lebt in Brandenburg. Willkommen in diesem Podcast.  

Ralph Rotter: Hallo. 

Mario D. Richardt: In deinem Alter – wir duzen uns, wir sind beide noch relativ jung – würde man ja noch gar nicht vermuten, dass du Bluthochdruck hast, Ralph. Wie und wann hast du davon erfahren? 

Ralph Rotter: Festgestellt wurde es das erste Mal als Kind schon, sage ich mal mehr oder minder. Und ja, es wurde aber nie wirklich in Betracht gezogen, also bearbeitet, sage ich jetzt mal. Meine Eltern sind auch beide Herzkrank, dadurch ist eh schon eine Vorbelastung vorgegeben gewesen, was relativ zeitig dann bekannt war.  

Mario D. Richardt: Also mit 41 bist du ja auch noch sehr jung und deswegen auch viel, viel eher an, in der Kindheit. Kannst du beziffern, in welchem Alter ungefähr?  

Ralph Rotter: Der Bluthochdruck selbst sage ich mal mit 10 bis 11. Da wurde es zuerst mal schon festgestellt.  

Mario D. Richardt: Wow, das ist wirklich völlig untypisch.  

Ralph Rotter: Ja, aber wie gesagt, familiär vorbelastet, aber da hat nie einer richtig drauf reagiert, deswegen hat sich das so ergeben.  

Mario D. Richardt: Das hat quasi niemand für ernst genommen dann? 

Ralph Rotter: Korrekt, so kann man es sagen, ja.  

Mario D. Richardt: Wann wurde es dann aber so für dich diagnostiziert, dass du auch gemerkt hast, da muss was passieren? 

Ralph Rotter: Also das richtige Anzeichen war nur der Herzinfarkt, den ich dann mit 36 hatte. Daraufhin wurde dann endlich mal mit Medikamenten und Co. reagiert. Vorher habe ich nie was genommen.  

Mario D. Richardt: Wie war das für dich, das Erlebnis, in Anführungsstrichen Erlebnis? Es ist ja nicht so schön.  

Ralph Rotter: Na ich sage mal, es war unangenehm, zumal es an meinem Geburtstag war, von daher sehr speziell.  

Mario D. Richardt: An deinem Geburtstag einen Herzinfarkt?  

Ralph Rotter: Genau.  

Mario D. Richardt: Wie hat sich das geäußert?  

Ralph Rotter: Der Blutdruck ging immer höher, immer höher. Ich habe mir dann auch irgendwann mal einen Nitrospray zugelegt, um das zu regulieren, aber der hat halt einfach nicht weiter reagiert und dadurch ging der Blutdruck immer weiter höher und dann hat meine Frau mich einfach nach Torgau ins Krankenhaus gebracht und postwendend ging es dann nach Leipzig ins Herzzentrum.  

Mario D. Richardt: Du hast auch direkt Schmerzen gehabt in der Herzgegend?  

Ralph Rotter: Genau und der Arm auch, es hat auch ausgestrahlt.  

Mario D. Richardt: War es denn für dich gleich klar, das ist ein Herzinfarkt? Ich meine, mit 36 ist ja völlig untypisch.  

Ralph Rotter: Irgendwo war es mir klar, denn ich war drei Tage vorher schon mal an meinem ortsansässigen Krankenhaus mit derselben Diagnose reingekommen, aber da wurde es, sage ich mal, mehr oder minder ignoriert und ja, auf Schulter-, Nackenverspannungen abgewälzt und ich wurde entlassen. Und dann, wie gesagt, an meinem Geburtstag dieselbe Symptomatik aber dafür ins andere Krankenhaus gefahren und die haben halt richtig reagiert, mit Blutabnahme. Und da war dann eindeutig klar, dass der Herzenzym-Wert einfach zu hoch war und da war die Reaktion klar.  

Mario D. Richardt: Was hast du dir denn dabei gedacht, als du die Diagnose gehört hast? 

Ralph Rotter: In dem Moment habe ich nicht viel mitgekriegt, das Morphium hat sein Gutes getan. Meine Frau saß über mir, die hat geweint, ja, aber ich habe es halt einfach nicht für voll genommen, dadurch, dass die anderen Schmerzmittel so gewirkt haben, dass ich es gar nicht für voll genommen habe.  

Mario D. Richardt: Irgendwann hat ja das Morphium dann nachgelassen. 

Ralph Rotter: Gut, da lag ich dann auf der ITS in Leipzig, da, ja, da war es schon was anderes, na klar. Man wollte ja seinen Geburtstag auch nicht unbedingt dort verbringen, sage ich jetzt mal.  

Mario D. Richardt: Wie lange warst du drin, im Krankenhaus? 

Ralph Rotter: Zwei Wochen.  

Mario D. Richardt: Und in diesen zwei Wochen wurde dir aber quasi dann von Tag zu Tag klarer, dass da was passieren muss und dass du eine ernstzunehmende Krankheit hast.  

Ralph Rotter: Jo. Und es wurde mir in derselben Nacht noch gleich gesagt, dass der alte Job, dass ich den nicht mehr ausüben darf.  

Mario D. Richardt: Was war das für ein Job? 

Ralph Rotter: Maschineneinrichter für Stanzen, Pressen, Rotationsanlagen.  

Mario D. Richardt: Was machst du jetzt? 

Ralph Rotter: Technischer Zeichner, ich habe umgeschult.  

Mario D. Richardt: Was eben nicht so anstrengend ist.  

Ralph Rotter: Mehr oder weniger, ja. Keine körperliche Arbeit mehr. Bin jetzt Bürositzer, Absitzer, wie auch immer.  

Mario D. Richardt: Was eigentlich auch nicht so gut ist für den Bluthochdruck. 

Ralph Rotter: Weil die Bewegung dann wieder fehlt, ja.  

Mario D. Richardt: Aber hat man die Diagnose gefunden, warum du Bluthochdruck hast? 

Ralph Rotter: Nein. Durch die Vorerkrankung von meinen Eltern, was bekannt war, da haben sie vielleicht das, eins und eins zusammengezählt und sich gedacht, das wird wohl dasselbe Problem sein. Meine Mutter hat einen Verschluss im Aortenbogen, mein Vater hat eine neue Herzklappe gekriegt, ja. Ich denke, das ist alles familiäre Vorbelastung und Jugendsünden logischerweise wahrscheinlich auch.  

Mario D. Richardt: Das heißt Alkohol, Rauchen. 

Ralph Rotter: Volles Programm.  

Mario D. Richardt: Alles mit dabei.  

Ralph Rotter: Mh (bejahend).  

Mario D. Richardt: Okay, das ist jetzt quasi fünf Jahre her, mit 36 hattest du den Herzinfarkt, wie hat sich dein Leben seitdem denn verändert?  

Ralph Rotter: Man ist ruhiger geworden. Also die Familie hilft mir halt sehr viel und in meinem neuen Job fühle ich mich wohl, bin gut aufgenommen worden, trotz der Erkrankung, und kann mir jederzeit eine Auszeit nehmen, so wie es mir halt passt. Also die Freiheit gibt mir mein Chef. Von daher bin ich da echt sehr zufrieden.  

Mario D. Richardt: Aber hast du diesen Warnschuss als diesen wahrgenommen? Also hast du wirklich gesagt: „Mist, also noch mal will ich jetzt keinen Herzinfarkt haben, weil dann geht es vielleicht ganz anders aus, ich muss was ändern in meinem Leben“? 

Ralph Rotter: Ja und nein. Ja, man lernt jetzt langsam darauf zu achten, worauf man zu achten hat, aber nein, weil so richtig geholfen hat alles noch nicht, was ich bis jetzt so richtig in Angriff genommen habe. Deswegen bin ich immer ständig noch woanders wieder in Behandlung, um dem Thema noch weiter auf den Grund zu gehen.  

Mario D. Richardt: Was hat denn gefruchtet? Was hat funktioniert?  

Ralph Rotter: Na ja, ernährungstechnisch würde ich jetzt mal sagen, habe ich schon hart dran gearbeitet, weil gerade Cholesterinwerte und Co., da muss man halt dranbleiben, sage ich jetzt mal. Und da ist Ernährung, glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt.  

Mario D. Richardt: Wie gestaltest du jetzt deine Ernährung?  

Ralph Rotter: Fleisch, Salz, auf solche Sachen halt achtet man sehr gut drauf jetzt schon mittlerweile.  

Mario D. Richardt: Was hat nicht funktioniert? 

Ralph Rotter: Das kleine Suchtproblem, das Rauchen habe ich noch nicht ganz aufgegeben, ich bin am Reduzieren, aber der Kopf war noch nicht so weit, dass es ganz dafür gereicht hat, um aufzuhören.  

Mario D. Richardt: Wie viel Zigaretten rauchst du am Tag? 

Ralph Rotter: Vielleicht jetzt noch fünf.  

Mario D. Richardt: Aber schon deutlich reduziert? 

Ralph Rotter: Deutlich reduziert.  

Mario D. Richardt: Früher wahrscheinlich eine Schachtel?  

Ralph Rotter: Na ganz so schlimm auch nicht, aber mehr auf alle Fälle.  

Mario D. Richardt: Kriegst du da Hilfe? Also versuchst du irgendwie, auch dieses Problem noch loszuwerden?   

Ralph Rotter: Ich versuchs aber dadurch, dass, ja, wie soll man das sagen? In meiner Familie rauchen fast alle, meine Frau raucht, und da ist es halt deutlich schwieriger noch, glaube ich, im Kopf den Entschluss zu fassen.  

Mario D. Richardt: Du konntest sie auch noch nicht überzeugen? 

Ralph Rotter: Ne, wäre ja zu einfach, kann ja jeder sonst.  

Mario D. Richardt: Aber sie hat dich doch gesehen, mit 36. 

Ralph Rotter: Tja, sie ist sieben Jahre älter als ich, was will man dazu sagen? 

Mario D. Richardt: Also war es für sie quasi kein Warnschuss? 

Ralph Rotter: Ich glaube, wenn es einen selber betrifft, ist es immer noch mal was anderes, als wenn man einen sieht. Klar ist es nicht schön zu sehen, wie ein Angehöriger darunter leidet aber, aber ob man das gleich als Signal sieht, würde ich jetzt nicht sagen.   

Mario D. Richardt: Du hast trotzdem vorhin gesagt, deine Familie unterstützt dich, wie macht sie das? 

Ralph Rotter: Na ja, dass sie mir halt viele Gänge abnimmt, was weiß ich jetzt, gerade Amtsgänge oder was weiß ich, solche Sachen halt. Ich muss mich körperlich kaum zu Hause betätigen, würde ich jetzt mal sagen. Das, was ich mir halt zutraue, mache ich und das andere halt nicht.  

Mario D. Richardt: Was bringt dich denn so blutdrucktechnisch nach oben? 

Ralph Rotter: Stress auf Arbeit, ja familiäre Probleme, weil man immer versucht das alles gemanaged zu kriegen oder die Ungerechtigkeit in der Welt.  

Mario D. Richardt: Du machst quasi abends den Fernseher an, wenn du eigentlich abschalten solltest, innerlich, ein bisschen zur Ruhe kommen sollst und dann kommen vielleicht schlechte Nachrichten und das bringt dich so ein bisschen innerlich dann auf die Palme, so was auch? 

Ralph Rotter: Fernsehen eher weniger. Ich belese mich dann eher auch mehr.  

Mario D. Richardt: Nimmst du Medikamente? 

Ralph Rotter: Ja. Blutdrucksenker, Betablocker, Cholesterinsenker.  

Mario D. Richardt: Das ganze Arsenal quasi.  

Ralph Rotter: Könnte man sagen, ja.  

Mario D. Richardt: Helfen die gut? 

Ralph Rotter: Bis dato noch nicht mit dem gewünschten Erlös, aber es ist schon besser geworden.  

Mario D. Richardt: Hat man mit dir schon gesprochen, woran es liegt, dass sie nicht so gut wirken? 

Ralph Rotter: Na ja, jeder Körper reagiert anders auf jedes Medikament, würde ich jetzt mal sagen und von daher hat man vielleicht noch nicht das richtige Präparat gefunden. Und es ist halt dann eine Sache des Ausprobierens, beziehungsweise Besprechens mit dem Arzt, was man noch so in Erwägung ziehen kann.  

Mario D. Richardt: Hast du dir für zu Hause ein Blutdruckmessgerät gekauft? 

Ralph Rotter: Ja, das hatte ich aber schon vor dem Herzinfarkt.  

Mario D. Richardt: Wie oft misst du? 

Ralph Rotter: Regelmäßige Abstände, das reicht einfach. Das führt man ja dann ein bisschen wie so ein Tagebuch, nenne ich es jetzt einfach mal. Und dann bringt man das zum jeweiligen Arzt mit, wenn sie das mal gerne sehen wollten.  

Mario D. Richardt: Was hast du für Werte? Also wie waren die Werte vorher, vor dem Herzinfarkt und wie sind sie jetzt, auch nach Deiner Ernährungsumstellung? 

Ralph Rotter: Na ja ich sage mal, ich rede immer gern von, nur vom zweiten Wert, weil das ist ja bei mir der Problemwert und der Ruhepuls, der zweite Wert springt jetzt immer noch so zwischen 120 und 130 rum. Der Ruhepuls liegt bei 100, 110. Und vor dem Infarkt waren es vielleicht noch mal ja, bestimmt 30 Punkte höher.  

Mario D. Richardt: Wo hast denn du noch Hilfe herbekommen, außer von deinem Arzt? 

Ralph Rotter: Eigentlich gar nicht, weil ich selber gar nicht weiter die Signale für mich wahrgenommen hab. Ich bin immer nur arbeiten gegangen und hab dann für mich gesagt “schiebs weg, keine Zeit für so was”.  

Mario D. Richardt: In dich reingefressen quasi. 

Ralph Rotter: Genau.  

Mario D. Richardt: Und wie oft gehst du zum Arzt? 

Ralph Rotter: Also, wenn ich einen Kopf unterm Arm habe, dann bewege ich mich mal zum Arzt, wegen irgendwelchen Wehwehchen bin ich mir selbst jetzt immer noch zu fein.  

Mario D. Richardt: Also erst beim nächsten Herzinfarkt? 

Ralph Rotter: Ja. Mir ist die Arbeit einfach wichtiger. Ich achte da noch nicht so drauf, weil wie gesagt, ich bin alleine der, der das Geld nach Hause bringt, von daher ist es halt extrem schwierig und da kann man sich einfach mehr oder minder nenne ich es jetzt mal ausfallen nicht erlauben.  

Mario D. Richardt: Also lässt du dich im Prinzip. 

Ralph Rotter: Immer noch gehen.  

Mario D. Richardt: Und was muss passieren, dass du dich nicht so gehen lässt in deinem Leben und deine Gesundheit doch wichtiger nimmst?  

Ralph Rotter: Schwierig zu sagen. Ich denke mal, dass alle dann in der Familie mit an dem Strang ziehen müssten, mehr oder minder, dass halt ja, dass ich nicht immer mehr alleine mit allem dastehe. Vom Anfassen her, nenne ich es jetzt mal. Wie gesagt, die Unterstützung ist ja zu Hause, aber vom Geld verdienen her wäre es schon besser, wenn alle was hätten oder wie auch immer, find ich. Einfach auch für mich, dann hätte ich nicht den Druck zu wissen, ich muss jetzt funktionieren. 

Mario D. Richardt: Das klingt quasi bei dir wie so ein Teufelskreis. Du hast keine Zeit so richtig für dich und der Stress bringt Deinen Blutdruck wieder nach oben, aber du kannst dich nicht wirklich um den Blutdruck kümmern? 

Ralph Rotter: Genau, man kann nicht wirklich abschalten. So würde ich es mal beschreiben.  

Mario D. Richardt: Das klingt dramatisch, aber Ralph, ich danke dir für deine offenen Worte.  

Ralph Rotter: Gerne.  

Mario D. Richardt: Alles Gute für dich und ich drücke dir die Daumen, dass du es schnell in den Griff bekommst.  

Ralph Rotter: Danke. 

Mario D. Richardt: Und dass du vor allen Dingen irgendwann wieder richtig abschalten kannst. Und Ihnen vielen Dank fürs Zuhören. In der nächsten und vorerst letzten Episode zum Thema Bluthochdruck spreche ich mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe Bluthochdruck der deutschen Hochdruckliga. Auch Sie sind da herzlich eingeladen, reinzuhören. Wollen Sie noch mehr rund um das Thema Bluthochdruck erfahren, schauen Sie auch in der passenden Magazin-Reihe von apo.com vorbei. Den Link finden Sie in der Folgenbeschreibung. Bis zum nächsten Mal, machen Sie es gut, tschüss.