Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. Gefäßerkrankungen sind ein häufiges Leiden vieler Menschen. In mehreren Episoden wird über verschiedene Gefäßerkrankungen aufgeklärt. Dabei informieren wir Sie, wie Sie Symptome erkennen und zum Beispiel welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Willkommen bei Chronisch Mensch, einem Podcast von apo.com

Dr. Katja Mühlberg Fachärztin innere Medizin Angiologie Uniklinik Leipzig

Dr. Katja Mühlberg

Geschäftsführende Oberärztin und Fachärztin für innere Medizin und Angiologie an der Uniklinik Leipzig

Transkript der Folge „Lymphödem“

Mario D. Richardt: Oft leiden besonders Frauen unter dieser Erkrankung und fühlen sich durch diese unwohl in ihrem eigenen Körper. Die Rede ist von Lymphödemen und Lipödemen. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Erscheinungen und gibt es Hoffnung, das Leiden zu verringern? Auf diese Fragen und noch viel mehr gibt es hier und jetzt Antworten. Mein Name ist Mario D. Richardt und ich begrüße Sie zu dieser Podcastepisode. Mir gegenüber sitz Dr. Katja Mühlberg, sie ist geschäftsführende Oberärztin und Fachärztin für innere Medizin und Angiologie an der Uniklinik in Leipzig. Schönen guten Tag, Frau Dr. Mühlberg.  

Dr. Mühlberg: Herzlich willkommen.  

Mario D. Richardt: Heute befassen wir uns mit Lymphödemen und wie sich diese im Vergleich zum Lipödem abgrenzen lassen. Und bevor wir über das Lymphödem sprechen, klären Sie uns bitte auf, was ist denn überhaupt die berühmte Lymphe?  

Dr. Mühlberg: Lymphe ist eine Flüssigkeit im Körper. Thomas Mann hat gesagt, dass aller zarteste und intimste im ganzen Körper, ein zauberhafter Saft, eine Blutmilch und es beschreibt tatsächlich ein ganz besonderes System. Die Lymphe ist ein Filtrat der Gewebsflüssigkeit. Im Rahmen des Stoffaustausches sammelt sich im Gewebe Flüssigkeit an und die muss irgendwie abtransportiert werden. Das passiert zu einem Teil über die Venen, aber zu einem ganz großen Teil über Lymphgefäße. Die nehmen ihren Ursprung als bindende Gefäße im Gewebe und werden dann vom Kaliber her immer stärker, immer größer, haben viele Lymphknotenstationen als Filterstationen, wo beispielsweise Fremdkörper oder Schlackenstoffe oder manchmal auch Tumorzellen gefiltert werden und die großen Lymphgefäße münden dann im Venenwinkel unterhalb vom Schlüsselbein, also ziemlich weit oben im Körper. Dort ist die Sammelstelle.  

Mario D. Richardt: Jetzt weiß jeder, Blut ist rot, welche Farbe hat Lymphe? Ist das so milchig? Ist es durchsichtig? Wie muss man sich das vorstellen? 

Dr. Mühlberg: Ja sowohl als auch, durchsichtig ist sie da, wo sie aus der Peripherie kommt, aus den Armen, aus den Beinen, aus dem Kopf, dort ist sie klar. So etwas leicht gelblich vielleicht und milchig ist sie aus dem Darmbereich. Auch die Darmschlingen haben Lymphgefäße und dort wird ja viel fettige, fettreiche Nahrung verstoffwechselt und das Fett macht die Lymphe dort zu einem milchig trüben Objekt. Und so sieht sie dann eben auch aus, wie Milch, deswegen wurde auch von dem Milchsaft bei Thomas Mann gesprochen.  

Mario D. Richardt: Und was ist dann aber dieses Lymphödem und wie entsteht es? 

Dr. Mühlberg: Lymphödeme entstehen immer dann, wenn Lymphbahnen in ihrer Funktion gestört sind. Es kann einerseits sein, dass sie gar nicht von Natur aus so angelegt sind, wie es sein sollte. Das ist ganz selten der Fall, etwa 10 Prozent aller Fälle haben angeborene Lymphgefäßunterversorgungen. Andererseits viel, viel häufiger, also 90 Prozent, sind erworbene Lymphgefäßerkrankungen. Am häufigsten werden Lymphgefäße durchtrennt im Rahmen von Operationen, dann ist der Lymphabstrom behindert und unterhalb der Durchtrennungslinie staut sich dann die Flüssigkeit im Gewebe an. Oder aber Lymphschwellungen treten auf im Rahmen von Tumorerkrankungen durch den Druck eines Geschwulsts oder durch verklumpte Lymphknoten, die durch Metastasen oder den Tumor selbst angegriffen sind. Auch hier wird der Lymphgefäßabstrom behindert und, was man leider auch zunehmend beobachtet in den letzten Jahren, ist, dass Übergewicht auch mit einem Lymphstau einhergeht und wir wissen, dass wenn der Bodymaßindex, der BMI, über 40 liegt, das Risiko ein Lymphödem allein aufgrund des Übergewichts zu entwickeln, drastisch ansteigt. Das heißt, hier ist das Lymphgefäßsystem an sich intakt, eigentlich völlig gesund, aber es ist komplett überlastet, weil so viel Flüssigkeit anfällt, dass sie nicht mehr abtransportiert werden kann.  

Mario D. Richardt: Gibt es denn Körperstellen, Körperteile, wo die Lymphödeme besonders häufig auftreten? 

Dr. Mühlberg: Ja, in allen abhängigen Körperpartien. Also die Beine sind am häufigsten betroffen, aber auch die Arme können betroffen sein. Das wissen vor allen Dingen Patientinnen nach Brustkrebs, nach Operationen bei denen die Lymphknoten auch in der Achselhöhle ausgeräumt werden. Hier spielen die Armlymphödeme eine große Rolle und wir kennen auch Kopflymphödeme. Bei kopfnahen Erkrankungen, bei Tumorerkrankungen, bei Abflusshindernissen im Schultergürtelbereich auch hier kann es zu Schwellungen im Kopfbereich kommen.  

Mario D. Richardt: Kann es angeboren sein? 

Dr. Mühlberg: Lymphgefäßerkrankungen können angeboren sein. Die Lymphgefäße sind entweder vermindert ausgebildet oder gar nicht angelegt, aber ein Organismus ist insgesamt gar nicht lebensfähig ohne Lymphgefäße. Daran wird die Bedeutung dieses wichtigen Teils der Gefäße überhaupt klar.  

Mario D. Richardt: Und wie so oft gibt es auch hier verschiedene Stadien. Können Sie uns da bitte durchführen? 

Dr. Mühlberg: Ja, da gibt es das Stadium 0. Da fragt man sich manchmal, warum es überhaupt benannt wird, aber das gibt es, dass Lymphabflussstörungen vorliegen, die klinisch noch gar nicht in Erscheinung treten, die man aufgrund von bestimmten Untersuchungstechniken vielleicht entdeckt hat, per Zufall oder wie auch immer. Im Stadium 1 ist es so, dass beispielsweise die Hände oder Füße anschwellen, aber durch Hochlagerung kann man dieses Anschwellen noch zum Rückgang bringen. Im Stadium 2 gelingt das nicht mehr. Das heißt Hochlagerung hilft nicht mehr, das Gewebe bleibt dauerhaft geschwollen. Und man sieht es, wenn man zum Beispiel mit dem Daumen ins Gewebe reindrückt, dann bleiben die Dellen stehen. Je länger so ein Lymphödem in diesem Stadium verharrt, umso fester wird es. Lymphe ist eine eiweißreiche Flüssigkeit und die neigt auch dazu, dass die Umgebung der Bereiche, die betroffen sind, allmählich verhärtet, fibrosiert, sich bindegewebig wandelt. Und dann lassen sich diese Ödeme nicht mehr eindrücken und dann denkt man vielleicht gar nicht daran, dass es ein Ödem ist, aber das kann passieren. Und dann wechselt es auch schon ins Stadium 3, wo sich das Gewebe so verändert, dass man schon deformierenden Charakter feststellen kann. Also, dass schon das Bein nicht mehr richtig aussieht wie ein Bein, überall große Lappen hängen, die Haut aufgeht, rissig wird, sich verändert. Eine häufige Komplikation in diesem Stadium ist die Wundrose, das Erysipel. Bei dieser entzündlichen Erkrankung treten dann über kleine offene Stellen in der Haut Keime ein und zerstören ihrerseits wiederum Lymphgefäße. So entsteht ein Teufelskreis, der dann schwerwiegende Folgen haben kann.  

Mario D. Richardt: Wie stellt denn der Arzt die Diagnose? 

Dr. Mühlberg: In aller Regel ist das eine Blickdiagnose, es gibt verschiedene Zeichen am Körper, an denen man ein Lymphödem festmachen kann. Ich bleibe einfach mal im Bereich der Füße, weil das am häufigsten ist. Wir haben dort über die Dellen der Ödeme schon gesprochen. Ein Hinweis kann sein, dass der Fußrücken balloniert ist, tatsächlich wie so eine Beule aufgetrieben ist. Wenn wir uns die Zehen anschauen, dann benutzt man gerne das sogenannte Stemmer-Zeichen, um ein Lymphödem festzustellen. Man versucht also zwischen zwei Fingern die Haut am Beginn des zweiten Zehs abzuheben, wenn man die Haut so ganz dünn abheben kann, dann ist das unauffällig. Dann spricht es nicht so sehr für ein Lymphödem. Wenn einem das nicht gelingt und die Haut sehr derb und dick ist, dann heißt es Stemmer-positiv und das ist typisch für ein Lymphödem. Außerdem sind häufig die Zehen durch Querfalten vom Fuß abgesetzt und auch die Zehen selbst können so eine kastenartige Form annehmen, wirken also etwas eckig und können über den Gelenken auch Querfalten zeigen. Das sind alles Zeichen, die bei einem fortgeschrittenen Lymphödem auftreten können. Ganz gemein wird es bei der Diagnose, wenn es sich um deszendierende, also absteigende Lymphödeme handelt, die vom Bauchraum ausgehen, weil dort zum Beispiel ein Tumor oder eine Operation stattgefunden hat. Dann schwellen meistens erst die Oberschenkel an und die Füße können dabei noch ganz unauffällig sein. Dann pflanzt sich dieses Lymphödem so ein bisschen von oben nach unten fort und dann kann man gar nicht so auf den ersten Blick auf die Idee kommen. Hier ist die Anamnese ganz wichtig, dass man genau fragt, was ist hier eigentlich die Ursache der Beinschwellung? 

Mario D. Richardt: Welche Behandlungsmöglichkeiten haben Sie denn? 

Dr. Mühlberg: Es gibt die sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie, KPE. Das klingt komplex und kompliziert, ist es aber gar nicht. Die basiert auf fünf Säulen und die erste heißt manuelle Lymphdrainage. Man versucht also, die Lymphflüssigkeit aus dem geschwollenen Gewebe herauszumassieren. Das gelingt mit verschiedenen Grifftechniken. Das machen die Physiotherapeuten, die eine entsprechende Ausbildung haben. Jetzt muss man dazu wissen, dass es ganz wichtig ist, dass diese Lymphdrainage nur dann wirksam und effektiv ist, wenn anschließend sofort das Gewebe komprimiert wird. Das heißt, man muss sofort danach entweder die Beine und Arme wickeln oder entsprechende Kompressionsstrümpfe anziehen. Ansonsten ist die Liebesmüh des Therapeuten komplett umsonst. Das heißt, sobald man von der Untersuchungsliege aufsteht, nach so einer Massage und sich wieder in die Senkrechte begibt, sackt sofort die Lymphe wieder nach unten und alles, was vorher in der halben, dreiviertel oder ganzen Stunde massiert wurde, ist wieder weg. Das heißt, man muss sofort nachfassen und komprimieren, sonst ist alles umsonst. Bei der Strumpfversorgung ist wichtig, dass es sich um sogenannte flachgestrickte Strümpfe handelt. Die erkennt man daran, dass sie hinten eine Naht haben. Die werden individuell auf Maß gefertigt und sind für Lymphödeme vorgeschrieben. Da spielen diese rundgestrickten, dünneren Venenkompressionsstrümpfe keine Rolle. Im Gegenteil, die können sogar Schäden anrichten, weil sie zum Teil einschneiden und das ist auch ein Grund, warum viele Patienten Kompressionsstrümpfe nicht mögen. Also wichtig, flachgestrickte. Jetzt habe ich über die ersten beiden Teile dieser komplexen Therapie gesprochen, der dritte Teil heißt Bewegung. Und hier ist es ganz entscheidend, wie aktiv der Patient ist unter Kompression, weil Bewegung schiebt die Lymphe aus dem Gewebe und wer aktiv in dieser Entstauungsphase läuft unter Kompression, wird die Erfolgsrate der Beherrschung seines Lymphödems ganz deutlich spüren können. Das ist ganz, ganz essenziell. Der vierte Aspekt heißt Selbstmanagement. Das wissen viele Patientinnen und Patienten gar nicht, dass man auch selbst Lymphdrainage machen kann. Man geht nicht jeden Tag zur Lymphdrainage in aller Regel. Es findet ein- oder zwei- oder dreimal in der Woche statt aber an den anderen Tagen der Woche muss man sich ja auch irgendwie helfen. Und dann kann man selbst mit kreisenden Bewegungen den Lymphfluss anregen. Dazu kann man seinen Lymphtherapeuten oder die Lymphtherapeutin fragen. Man bekommt Grifftechniken zugewiesen und kann sie selbst ausführen. Und der fünfte Teil dieser komplexen Therapie heißt Hauptpflege und das ist nicht zu unterschätzen. Die Haut muss gut gecremt werden, damit sie glatt und geschmeidig ist und keine trockene Haut entsteht, denn diese trockene Haut mit kleinen Rissen, ganz kleinen Mikroverletzungen, kann dazu führen, dass Keime ins Gewebe eintreten und dann diese Wundrose, das Erysipel, von dem wir vorhin gesprochen haben, fördern. Auch Strümpfe trocknen ein wenig die Haut aus deswegen ist das Eincremen abends vor dem Zubettgehen ganz wichtig. Und an der Stelle, das muss ich unbedingt loswerden, weil wir das ganz oft gefragt werden, Kompressionsstrümpfe müssen selbstverständlich nicht nachts zwingend getragen werden. Die Haut muss auch mal atmen und Luft kriegen, deshalb gilt: nachts Strümpfe aus, Beine hochlagern. Es sei denn, der Arzt oder die Ärztin geben Ihnen explizit den Hinweis, diese nachts zu tragen. Das kann manchmal bei Wunden, die aufgrund eines Lymphödems entstanden sind, bedeutsam sein.  

Mario D. Richardt: Gibt es Medikamente, die helfen können? 

Dr. Mühlberg: Nein.  

Mario D. Richardt: Ja, Frage, Antwort. Gibt es aber andere Möglichkeiten?  

Dr. Mühlberg: Ja, es gibt neben dieser komplexen physikalischen Entstauungstherapie, die immer die Basis ist, das muss man wissen, das ist essenziell, auch moderne lymphchirurgische Verfahren. Die kommen nicht für alle Patienten infrage, aber doch für einige und zeigen sehr schöne Erfolge. Da gibt es ganz verschiedene Methoden. Man kann zum Beispiel lymphovenöse Anastomosen bilden. Das heißt, man schließt Lymphgefäße an Venen an und bietet somit einen verfrühten Eintritt der Lymphe in das Venensystem, denn da muss die Lymphe ja ohnehin hin transportiert werden. Oder aber man verbindet Lymphgefäße miteinander. Oder es gibt die Möglichkeit eines sogenannten vaskularisierten Lymphknotentransfers. Das klingt kompliziert, ist aber ganz einfach. Man entnimmt an einer Stelle einen Lymphknoten, samt anhängender Arterien, Venen und Lymphgefäße und transplantiert ihn an die Stelle, wo der Lymphfluss unterbrochen ist. Und auf die Weise wächst dieser Lymphknoten, weil er auch gut mit Arterien und Venen versorgt ist, ins Gewebe ein und kann dann über eine kurze Zeitspanne, die man abwarten muss, den Lymphtransport wieder gewährleisten. Damit kann man unter anderem Frauen nach einer Brustkrebsoperation sehr gut helfen. Hier sind die Raten der Lymphödeme deutlich regredient (d. h. zurückgehend). Man kann die Lebensqualität deutlich erhöhen, wenn man viel seltener zur Lymphdrainage gehen muss oder vielleicht sogar ganz auf sie verzichten kann. Das sind sehr schöne, charmante Methoden, die zwar nicht für alle Patienten infrage kommen, aber doch in Erwägung gezogen werden sollten, wenn unter der sogenannten konservativen Therapie keine Erfolge verzeichnet werden.  

Mario D. Richardt: Wo ist denn der Unterschied zum Lipödem und gibt es da Gemeinsamkeiten?  

Dr. Mühlberg: Es kann bei einem sehr schwerwiegenden Lipödem, bei dem das Übergewicht eine große Rolle spielt, tatsächlich dazu kommen, dass sich sekundär auch ein Lymphödem entwickelt. Aber eigentlich sind das zwei völlig verschiedene Erkrankungen. Das Lipödem ist dadurch gekennzeichnet, dass sich angeborenermaßen das Fettgewebe fehlverteilt, und zwar übermäßig stark in den Beinen, manchmal auch in den Armen. Wichtig ist, es betrifft nie den Körperstamm. Das heißt, sobald der Bauch auch dick ist, kann man schon davon ausgehen, dass es nicht ein alleiniges Lipödem ist, sondern das Übergewicht eine Rolle spielt. Und was die betroffenen Frauen auch wissen müssen, ist, dass jedes Übergewicht, also das, was am Bauch zu viel ist, ein etwaig vorhandenes Lipödem schlimmer macht, weil dadurch insgesamt die Umfänge natürlich zunehmen und auch die einzelne Fettgewebszelle viel mehr Fett enthält. Und wenn schon mehr davon an manchen Stellen ausgebildet sind, verschlimmert sich das Ganze. Wie kann man es an den Beinen unterscheiden? Das ist manchmal gar nicht so einfach, aber es gibt eine Stelle, die man gut dazu zurate ziehen kann und das sind die Füße. Beim Lipödem, beim reinen Lipödem ist der Fuß immer schlank, der Knöchel gut zu sehen, richtig gut abgrenzbar. Man sieht die knöchernen Strukturen. Das ist beim Lymphödem nicht der Fall. Beim Lymphödem ist der Fußrücken balloniert, man sieht die Knöchel nicht, die sind verstrichen, auch hinten an der Achillessehne sind die Grübchen verstrichen. Daran kann man beide Erkrankungen am Fuß direkt relativ gut voneinander trennen. Wesentlich für die Diagnosestellung des Lipödems ist also die gerade beschriebene Disproportion zwischen dem Körperstamm und den Extremitäten. Das zweite, wichtigste Kriterium ist, dass das Fettgewebe schmerzhaft ist. Also nicht irgendwie die Beine wehtun, weil das kann viele Gründe haben, sondern das Fettgewebe selbst ist schmerzhaft auf Druck und/oder Berührung.  

Mario D. Richardt: Spezialfall Lipolymphödem, ist man dann doppelt gestraft? Was hat es damit auf sich? 

Dr. Mühlberg: Ja, das zeigt eigentlich nur, dass mehrere Therapieansätze nötig sind und, dass man wahrscheinlich sogar drei Erkrankungen hat. Denn das Lipödem an sich, das reine Lipödem, zieht nicht zwangsläufig ein Lymphödem nach sich, weswegen dieser Begriff auch nicht verwendet werden soll. Das suggeriert das ja ein wenig. Sondern, wenn man ein Lipödem hat und ein Lymphödem, was nicht angeborenermaßen da ist, dann kann man davon ausgehen, dass Übergewicht eine Rolle spielt. Also das wäre dann die dritte Diagnose, nämlich Adipositas. Und die gute Nachricht ist, das Adipositas assoziierte Lymphödem, also dieser Teil, ist gut beherrschbar und vollkommen regredient (d. h. zurückgehend). Also, wenn man hier schafft, das Gewicht zu reduzieren durch ausreichend Bewegung und verschiedene andere Maßnahmen, dann verschwindet auch dieser Lymphödemanteil. Und, wenn man dann noch das Lipödem übrig hat, dann muss man das angehen. Aber auch hier spielen Ernährung und Bewegung, entgegen vieler bisheriger Meinungen, eine ganz große Rolle und können zu einer erheblichen Lebensqualitätsverbesserung der Lipödem-betroffenen Frauen führen.   

Mario D. Richardt: Ich danke Ihnen herzlich, Frau Dr. Mühlberg. 

Dr. Mühlberg: Sehr gern.  

Mario D. Richardt: Und auch Ihnen vielen Dank fürs Zuhören. In der nächsten Episode sprechen wir über das Aneurysma. Möchten Sie noch mehr zum Thema Gefäßerkrankungen erfahren, schauen Sie auch in der passenden Magazin-Reihe von apo.com vorbei. Den Link finden Sie in der Folgenbeschreibung. Bis dahin, danke schön, tschüss.