Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. Gefäßerkrankungen sind ein häufiges Leiden vieler Menschen. In mehreren Episoden wird über verschiedene Gefäßerkrankungen aufgeklärt. Dabei informieren wir Sie, wie Sie Symptome erkennen und zum Beispiel welche Therapiemöglichkeiten es gibt. Willkommen bei Chronisch Mensch, einem Podcast von apo.com

Dr. Katja Mühlberg Fachärztin innere Medizin Angiologie Uniklinik Leipzig

Dr. Katja Mühlberg

Geschäftsführende Oberärztin und Fachärztin für innere Medizin und Angiologie an der Uniklinik Leipzig

Transkript der Folge „Krampfadern“

Mario D. Richardt: Kennen Sie diese blauen Knäuel und Schlengelungen dicht unter der Haut? Sie können ein ästhetisches Problem sein, aber auch in weitaus verstärkter Form auftreten. Die Rede ist von Krampfadern und um die soll es diesmal gehen. Mein Name ist Mario D. Richardt und ich begrüße Sie zu dieser Episode, um über all die brennenden Fragen zu diesem Thema zu sprechen. Mit mir am Mikrofon sitzt Expertin Dr. Katja Mühlberg. Sie ist geschäftsführende Oberärztin und Fachärztin für innere Medizin und Angiologie an der Uniklinik in Leipzig. Schönen guten Tag, Frau Dr. Mühlberg.  

Dr. Mühlberg: Ich grüße Sie herzlich.  

Mario D. Richardt: Unser heutiges Thema lautet Varikosis, besser bekannt als Krampfadern. Frau Dr. Mühlberg, was sind denn Krampfadern überhaupt? 

Dr. Mühlberg: Ach, da gibt es eine große Spannbreite von ganz, ganz kleinen bis hin zu den großen knäuelartigen, die Sie gerade benannt haben. Und nicht alle sind ganz gefährlich. Die kleinen Besenreiser, die man haben kann, müssen nicht zwangsläufig schon eine therapeutische Konsequenz nach sich ziehen und vielleicht auch das vorab genommen, nicht jede sichtbare Vene ist gleich eine Krampfader. Wir erleben auch sehr häufig besorgte Besuche von Patienten, die sagen: „Ich sehe da vor allen Dingen im Sommer ganz stark meine Venen, muss ich mir da Sorgen machen?“. Nein, das sind häufig sehr, sehr schlanke, durchtrainierte Männer und Frauen, bei denen man einfach aufgrund des fehlenden Unterhautfettgewebes die Venen deutlicher sieht. Das sind keine Krampfadern. Da darf man ganz entspannt bleiben.  

Mario D. Richardt: Aber wie entstehen denn Krampfadern und wie erkennt man, dass es eine Krampfader ist? 

Dr. Mühlberg: Die häufigste Ursache von Krampfadern ist tatsächlich eine angeborene Neigung dazu. Wir haben meistens über viele Generationen hinweg so ein Krampfaderleiden. Übergewicht spielt eine große Rolle. Je mehr Druck, je mehr Gewicht und Last auf den Venenklappen, auf die kommt es an, lastet, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit. Bindegewebsschwächen können hier eine Rolle spielen, aber eben auch stehende Berufe mit einer großen hydrostatischen Last in den Venen, die auf diesen kleinen zarten Klappen lastet, können dazu führen, dass man im Laufe seines Lebens ein Krampfaderleiden entwickelt.  

Mario D. Richardt: Wie erkennt man, dass es eine Krampfader ist und nicht doch eine Vene, die dadurch schimmert?  

Dr. Mühlberg: Ja, die Krampfadern können verschiedene Formen annehmen. Die Besenreiser hatte ich gerade schon genannt. Es gibt sogenannte retikuläre Varizen, die so klein, parallel und gestrüppartig, meistens auch in den Kniekehlen, angeordnet sind. Und es gibt diese großen knäuelartigen Verläufe, da kann man ganz sicher sein, dass das Krampfadern sind, aber die glattverlaufende Vene, die in aller Regel auch ohne Begleitphänomene einhergeht, die ist harmlos. Typische Zeichen einer symptomatischen Varizenerkrankung sind das Dickwerden der Beine, die Ödemneigung, und es sind Hyperpigmentierungen, also kleine Farbveränderungen in der Haut. Es fängt an und sieht aus so ein bisschen wie Sommersprossen, so eine bräunliche Verfärbung. Und es können natürlich schlimmstenfalls auch offene Wunden sein, die offenen Beine, das hört man manchmal auch, die bei langjährigen, schweren Varizenleiden eine Rolle spielen. Dann kann man sicher sein, dass es tatsächlich Krampfadern sind. Und vielleicht, um gleich die Sorge von einigen Hörerinnen und Hörern wegzunehmen: Entwickelt sich dann aus jeder Krampfader, aus einer kleinen oder großen zwangsläufig so ein offenes Bein? Nein, das ist nicht so, Gott sei Dank. Es gibt aber einige wichtige Hinweise, die darauf hindeuten, dass es gefährlich werden kann, und zwar immer dann, wenn unterhalb des Knöchels, auf der Fußinnenseite, so ganz viele, ganz kleine blaue kleine winzige Knäulchen zu sehen sind. Wir nennen das Corona phlebectatica paraplantaris, großer komplizierter Begriff, aber direkt oberhalb der Fußsohle, am mittleren Fußrand unterhalb des Knöchels, wenn man dort ganz viele solche kleine Kölbchen, Venen sieht, das ist schon so ein kleiner Hinweis darauf, dass man etwas für seine Venengesundheit tun sollte, damit man kein Geschwür entwickeln will.  

Mario D. Richardt: Welche Stadien gibt es denn bei den Krampfadern? 

Dr. Mühlberg: Da gibt es verschiedene Einteilungen, die je nach dem klinischen Erscheinungsbild, nach den äußeren Zeichen gehen. Und es gibt auch große wissenschaftliche Stadieneinteilungen, die noch die Ursache und den zugrunde liegenden Mechanismus berücksichtigen. Da gibt es verschiedene Arten. Die einfachste ist tatsächlich, dass man einteilt in symptomatische und asymptomatische Krampfaderleiden und dann nach dem Ausmaß und den Hauterscheinungen klassifiziert. Da spielt es eben eine Rolle, ob man solche Pigmentverschiebungen schon hat oder vielleicht auch schon narbige Einziehungen sieht. Denn je länger ein Gewebe infolge eines Krampfaderleidens gestaut ist, je länger man so eine Schwellung mit sich herumträgt, umso schlechter wird auch die darüber liegende Haut ernährt und das führt zum einen zu Ablagerungen von verschiedenen Pigmentstoffen und zu narbigen bindegewebigen Veränderungen, die dann nicht mehr gut durchblutet werden und das sind dann die Ausgangspunkte für das Stadium der Geschwürentstehung.  

Mario D. Richardt: Können Krampfadern auch Schmerzen verursachen? 

Dr. Mühlberg: In aller Regel unter normalen Umständen nicht. Sie können dann schmerzhaft verändert sein, wenn sie sich entzünden. Das kann passieren im Rahmen einer sogenannten Phlebitis, einer Venenentzündung, und wenn die Wand entzündlich verändert ist, verquollen ist, dann können sich da auch gerne Gerinnsel festsetzen. Vielleicht noch bedingt durch den verzögerten Rückstrom des venösen Blutes, durch die Klappenschwäche, die da eine Rolle spielt, kann eine Thrombophlebitis entstehen, eine oberflächliche Venenthrombose. Das spürt man als schmerzhaften, derben Strang unter der Haut und das kann durchaus auch ernstere Konsequenzen haben, nämlich das Einwachsen dieser oberflächlichen Venenthrombose ins tiefe System, bis hin zu Lungenembolien. Das kann man aber sehr gut feststellen, mit Ultraschall, und auch sehr gut behandeln.  

Mario D. Richardt: Und auch grundsätzlich muss man also festhalten, Krampfadern sind nicht nur ein rein kosmetisches Problem? 

Dr. Mühlberg: Nein, definitiv nicht. In Abhängigkeit vom Stadium und vom Schweregrad können durchaus ernste medizinische Folgen die Konsequenz sein. 

Mario D. Richardt: Aber zum Glück kann man dagegen was machen.  

Dr. Mühlberg: Man kann etwas dagegen tun, ja.  

Mario D. Richardt: Dann klären Sie uns bitte auf, Frau Dr. Mühlberg.  

Dr. Mühlberg: Ja, es gibt natürlich wie bei so vielen Erkrankungen schon vorbeugende Maßnahmen, die man treffen kann. Wenn man beispielsweise einen stehenden oder auch sitzenden Beruf hat, dann ist es so, dass der venöse Rückstrom, der muss ja von der Fußsohle hoch zum Herzen gewährleistet werden und das passiert entgegen der Schwerkraft, unterstützt werden kann, indem man aufsteht und läuft, denn jede Wadenmuskelaktivierung fördert den Rückstrom zum Herzen. Wenn man stehende Berufe ausübt, ich denke auch an Patientinnen und Patienten, die beispielsweise an Fließbändern arbeiten müssen, dann kann man durch Zehenstände, also das Auf- und Abwippen im Stehen oder auch mal das Verlagern des Gleichgewichts auf die Fersen ebenfalls die Wadenmuskeln aktivieren und dadurch den Rückstrom fördern. Das geht auch mit sogenannten Venenwippen unter dem Schreibtisch, die wie Pedale angeordnet sind, bei denen man die Füße auf und ab bewegt. Oder aber durch Tragen von Stützstrümpfen. Die kann man sich selbst kaufen, handelsüblich oder aber, wenn es schon eine manifeste Varikose ist, ein Krampfaderleiden schon da ist, dann sind die auch rezeptierfähig und als medizinische Kompressionsstrümpfe auch etwas stärker vom Druckverhalten. Und die fördern dann den venösen Rückstrom zum Herzen. 

Mario D. Richardt: Welche medizinischen Möglichkeiten gibt es? 

Dr. Mühlberg: Die Kompressionstherapie spielt hier eine ganz vordergründige Rolle, wie gesagt, als Kompressionsstrumpf oder auch als Verband. Und es gibt auch noch verschiedene andere Kompressionsverfahren, die insbesondere aber dann, wenn Geschwüre eine Rolle spielen, schon mitgenannt werden sollten. Wir haben aber natürlich auch die Behebung der Krampfadern, das Entfernen der Krampfadern im Auge. Hier reicht das Spektrum vom einfachen Veröden – das heißt man spritzt eine Art Klebstoff in die kleinen Krampfadern, das sind vor allen Dingen die kleineren, die man damit behandelt, damit die Adern verkleben und kein Blut mehr durchlassen und die sind dann auch in aller Regel nicht mehr sichtbar – bis zu der Möglichkeit mit Lasertechnologie oder auch sogenannten Radiofrequenzablationsverfahren die Adern über einen Katheterdraht von innen zu behandeln. Dort entweder über die Temperatur, wie das beim Laser ist, das Gewebe ja, ganz einfach gesagt, zu verkochen, sodass die Adern auch kein Blut mehr durchlassen, die Adern verschließen. Wir können auch Kombinationstherapien anbieten, ablative Verfahren mit Schaumverödung und wir können natürlich auch ganz klassisch Venen ziehen, strippen. Man entfernt dann die Venen, zieht sie aus dem Körper heraus, muss dann kleinere Verbindungsäste zu den tiefen Systemen abbinden, kleine Mini-Phlebektomien machen, so heißt das. Und man kann auch sehr charmant eine Methode anwenden, die heißt CHIVA-Methode, hat vielleicht der eine oder die andere auch schon gehört. Man belässt da die Adern, die Krampfadern im Körper und bindet sie ab, an den Stellen, in denen sie ins tiefe System münden und das hat insofern Charme, dass man ja auch nie weiß, wozu man so eine Ader braucht, denn Sie hören schon, wenn man die einfach entfernen kann, dann scheinen sie ja nicht lebenswichtig zu sein und das ist auch tatsächlich so. Voraussetzung für all diese Verfahren oder für die meisten ist, dass das tiefe Venensystem gut durchgängig ist und funktioniert. Und manchmal braucht man im Leben ja zum Beispiel eine oberflächliche Vene als Bypassgefäß. Ich denke an die koronaren Bypässe bei Herzerkrankungen, bei Durchblutungsstörungen des Herzens oder auch in anderen Bereichen des Körpers und dann wäre man manchmal froh, wenn man doch noch diese Ader gehabt hätte. Wenn sie nicht zu stark schon knäuelartig verwunden ist, dann kann man sie manchmal noch als Bypass ganz gut gebrauchen und diese CHIVA-Methode ermöglicht das beispielsweise.  

Mario D. Richardt: Wovon ist denn abhängig, welche Methode angewendet wird? 

Dr. Mühlberg: Ja, das hängt davon ab, wie stark das Ausmaß des Krampfaderleidens ist. Die ganz kleinen Krampfäderchen, die kann man sehr gut mit diesen Verklebungsmethoden, mit diesen Sklerosierungen behandeln. Die stark geschlängelten Krampfadern, wenn es ein sehr knotiger, geschlängelter Verlauf ist in diese Adern kommt man manchmal mit diesen Katheterdrähten nicht gut um die Kurven und dann sind das eher ungeeignete Verfahren. Dann kann man da nicht so viel Gutes bewirken und diese muss man dann tatsächlich operativ eher entfernen. Es lohnt sich dann tatsächlich, diese Methode anzuwenden. Und man muss auch beachten, dass, wenn Adern sehr, sehr knapp unter der Hautoberfläche liegen, dass dann manchmal die Lasertherapie doch so kleine bräunliche Restzeichnungen im ehemaligen Venenverlauf hinterlässt, weil dort ja sehr mit sehr hohen Temperaturen gearbeitet wird. Das kann dann manchmal hinterher kosmetisch ein wenig stören. Das sind alles Faktoren, die der Arzt oder die Ärztin in Betracht zieht, wenn man sich für eine geeignete Methode entscheidet.  

Mario D. Richardt: Frauen leiden ja dreimal häufiger unter Krampfadern, warum ist das so? 

Dr. Mühlberg: Es scheint auch hier, wie bei einigen Erkrankungen einen Zusammenhang zum hormonellen Haushalt zu geben. Also hier spielen die Sexualhormone offensichtlich eine Rolle, die eine Neigung dazu fördern.  

Mario D. Richardt: Kann man denn Varikose im Allgemeinen vorbeugen?  

Dr. Mühlberg: Ja, wir hatten schon über Maßnahmen gesprochen, die mit langem Sitzen und langem Stehen zu tun haben, aber es gibt auch noch andere Maßnahmen, die einfach sind. Die Venengymnastik beispielsweise. Wenn man sich angewöhnt, mit seinen Füßen beispielsweise jeden Morgen zu kreisen oder auch am Abend, wenn man zu Hause ist, die Beine hochzulegen, um den venösen Rückstrom zu fördern, kreisende Bewegungen zu machen, ein Auf- und Abwippen der Füße all das fördert den venösen Rückstrom. Was man nach dem warmen Duschen oder Baden tun kann, und das wird jetzt manche vielleicht erschrecken, aber so schlimm ist das gar nicht, ist, mit dem kalten Wasser, mit dem Duschkopf die Beine einfach abzuduschen. Das sorgt dafür, dass sich Adern allgemein zusammenziehen, durch den Kältereiz und durch das Zusammenziehen wird auch der venöse Rückstrom zum Herzen unterstützt. Wer das nicht mag, dieses alleinige kalte Duschen, der kann auch mit Wechselfußbädern gut arbeiten oder aber man greift auf die schönen alten Kneipschen Kaltwasseranwendungen zurück. Es gibt an vielen Orten die Anlagen dazu, aber man kann das auch selbst machen, im Urlaub zum Beispiel am Strand. Man sollte allgemein große Sonneneinstrahlungen, Hitzeeinwirkungen meiden und dann lieber etwa kniehoch im Wasser am Strand hin- und herwandern. Das ist hervorragend für die Venen geeignet, um hier einen schönen Ausgleich zu finden. Und allgemein, wer ein großer Saunagänger ist,  muss sich nicht unbedingt die Sauna versagen, wenn er ein Krampfaderleiden hat, aber man muss wissen, dass hohe Wärmeeinstrahlung und allgemein Hitze dazu führt, dass sich die Gefäße deutlich weiten und das kann manchmal für eine Varikosis, für ein Krampfaderleiden nicht besonders dienlich sein. Wichtig ist dann, ganz besonders auf die richtige Abkühlung zu achten, dass man hinterher einen guten Kaltwasserguss anwendet und die Saunabesuche auch nicht zu häufig und zu ausgedehnt unternimmt.  

Mario D. Richardt: Dann danke ich Ihnen, Frau Dr. Mühlberg. 

Dr. Mühlberg: Sehr gern.  

Mario D. Richardt: Und ich freu mich auch, Sie zur nächsten Folge begrüßen zu dürfen, in der wir über Lymphödeme und Lipödeme sprechen. Möchten Sie noch mehr zum Thema Gefäßerkrankungen erfahren, schauen Sie auch in der passenden Magazin-Reihe von apo.com vorbei. Den Link finden Sie in der Folgenbeschreibung. Bis dahin, danke schön, tschüss.