Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In insgesamt 11 Podcastfolgen geht es um die große Volkskrankheit Diabetes. Wir führen Sie durch jede Phase der Krankheit, damit Sie immer gut informiert sind. Heute zum Thema Diabetes Ursachen, Symptome und Diagnose. Willkommen beim Podcast Chronisch Mensch.

PPetra Baieretra Baier

Vorstandsmitglied Deutscher Diabetiker Bund, Landesverband Sachsen e.V. 

Transkript der Folge Hilfe bei der Diabetes-Diagnose

Mario D. Richardt: Die Diagnose Diabetes ist zunächst einmal ein Schock, aber so viel vorweg: Es gibt viele Anlaufstellen und Experten, die in dieser schwierigen Phase zur Seite stehen. Wer das sein kann und wo man Hilfe bekommt, darüber spreche ich heute mit Petra Baier vom deutschen Diabetiker Bund Landesverband Sachsen. Der Diabetiker Bund ist die größte Patientenorganisation für Menschen, die von Diabetes betroffen sind. Guten Tag, Frau Baier. 

Petra Baier: Guten Tag, Herr Richardt.  

Mario D. Richardt: Frau Baier, die Diagnose Diabetes zu bekommen ist sicherlich nicht leicht, sollte aber auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Nehmen wir mal an, man wird vom Hausarzt damit überrascht. Wie geht es dann weiter in der Regel und im besten Fall? 

Petra Baier: In der Regel ist es so: eine Zufallsdiagnose wird beim praktischen Arzt gestellt, wenn man hingeht und vielleicht ein paar Tabletten gegen seinen hohen Blutdruck haben möchte. Dann bricht die Welt zusammen. Dann ist es einfach ein Ausnahmezustand. Und die meisten Menschen sind dann gar nicht mehr aufnahmefähig.  

Mario D. Richardt: Also viele denken dann, das ist ein Grund zur Resignation?

Petra Baier: Ja, das zum einen und zum anderen ist es auch eine Lebensendstimmung, die sich bei ganz vielen Menschen dort einstellt. Das ändert sich wieder, aber im Moment ist es erst mal eine absolute Ausnahmesituation, es geht nicht weiter. 

Mario D. Richardt: Und dann wird man vom Hausarzt zum Diabetologen geschickt?

Petra Baier: Nein, also der Hausarzt nimmt einen erst mal bei der Hand. Zu Beginn ist es so, dass erklärt wird, was ist denn Diabetes überhaupt für den Betroffenen? Das ist ja ein Unterschied, ob da ein junger Mensch sitzt, ein älterer Mensch sitzt, jemand, der ganz körperfüllig ist oder viele Vorerkrankungen hat. Also da gibt es schon ein Gespräch und dann wird erklärt, was man alles tun kann. Der Schock sitzt insofern tief, dass der Patient sich in dem Moment gar nicht im Klaren darüber ist, was will ich überhaupt? Will ich Tabletten nehmen? Muss ich spritzen?

Ich habe schon so viel davon gehört, muss ich alles jetzt mit Diät essen und so weiter. Das ist also ganz, ganz wichtig dieses Gespräch und der Arzt muss ganz zeitnah den Patienten wieder bestellen. Das macht er auch, um die beginnende Therapie, die ja sofort einsetzt, zu kontrollieren. Da erfolgt erst mal nur ein Beginn der Behandlung und eine Überprüfung des Behandlungseffekts in den ersten Tagen. Es müssen dann zeitnah wieder Laboruntersuchungen gemacht werden.

Es muss geguckt werden, wie hoch ist der Blutzucker und so weiter. Und dann, zwei, drei Tage später, so ist die Regel, kommt der Patient noch mal und dann ist im besten Falle in der Praxis auch ein:e Diabetesberater:in, der oder die dann die weiteren Verlaufsschritte bespricht. Da geht es darum, wie verhalte ich mich überhaupt, was werde ich tun, was muss ich tun? Muss ich meinen Bauchumfang verringern oder muss ich mehr Sport treiben oder muss ich etwas anderes essen? Das macht der Arzt auch, aber es muss Vertrauen aufgebaut werden. Das ist der wichtigste Pfeiler überhaupt. Wenn ich kein Vertrauen zu dem Arzt habe, dann passiert auch nichts mit mir. 

Mario D. Richardt: Aber all das kann schon der normale Hausarzt leisten? 

Petra Baier: Der leistet viel mehr. Wenn wir vom Typ Diabetes 2 reden, dann ist der Betroffene in jedem Falle sehr lange bei dem Hausarzt. Oft geht er oder sie gar nicht zum Diabetologen, weil solange das alles mit Tabletten und Sport und Bewegung und guter, sinnvoller Ernährung geregelt werden kann und der Diabetes sich damit im Zaum halten lässt, muss er nicht zum Diabetologen.

Zum Diabetologen wird er überwiesen, wenn der Diabetes nicht einstellbar ist oder nicht gut einstellbar ist über eine längere Zeit oder sporadisch ganz doll ausreißt (nach oben oder nach unten). Das ist beides sehr gefährlich. Dann wird er oder sie zum Diabetologen überwiesen. In jedem Falle wird kurz nach dieser Erstdiagnose und der Ersteinstellung darüber gesprochen, wie man die Lebensweise ändern kann und welche Schulungen notwendig sind. Das ist sehr essenziell und ohne diese Schulungen wird niemand alleine sein Leben in den Griff kriegen in so einer Situation. 

Mario D. Richardt: Aber ich muss noch mal kurz auf den Hausarzt zurückkommen. Ist denn wirklich jeder Hausarzt dazu befähigt, dass er den Patienten bei Diabetes Typ 2 einstellen kann, also braucht man da eine Spezialausbildung dafür? 

Petra Baier: Also Hausarzt zu sein bedeutet ja, Facharzt im Sinne der Hausarztbehandlung, und damit ist er auch dazu ausgebildet. Der Hausarzt kann ganz viel und macht das auch. Es wäre ganz, ganz schwierig, wenn jeder Mensch mit Diabetes (bei der Masse an Diabetes-Patienten, die es ja leider gibt und der stark wachsenden Anzahl) die vergleichsweise wenigen Diabetologen zu überrennen.  

Mario D. Richardt: Wie häufig muss man denn zum Arzt nach der Diagnose?  

Petra Baier: Also am Anfang sicherlich häufiger, einfach damit das Ganze in den Fluss kommt und damit auch klar ist, ob man auf dem richtigen Weg ist. Es wird irgendwann die Entscheidung kommen, bleibt es bei Medikamenten, die ich oral einnehmen kann oder muss gespritzt werden?

Und an der Stelle kommt dann auch die erste Überlegung, bleibe ich bei meinem Hausarzt oder gehe ich dann zum Diabetologen? Das empfiehlt dann auch in der Regel der Hausarzt. Und wenn alles läuft, ist einmal im Vierteljahr ein Besuch beim Arzt ganz dringend notwendig.  

Mario D. Richardt: Wie findet man denn einen guten Diabetologen? 

Petra Baier: Das ist schwer. Das ist deshalb schwer, weil es eigentlich viel zu wenige gibt und die, die es gibt, die haben wirklich ein immenses Pensum zu leisten. Wenn aber ein Hausarzt empfiehlt dort oder dahinzugehen, dann kommt man da auch hin. Also es gibt jetzt niemanden, der sagt: „Ich weise Sie ab, weil meine Sprechstunde zu voll ist.“.  

Mario D. Richardt: Und dann kann man auch eine Diabetesschulung besuchen oder findet die dann einfach in den Praxisräumen statt? Muss man irgendwo hinfahren?

Petra Baier: Das ist unterschiedlich. Also zum einen gibt es natürlich Praxen, die das anbieten, etwa einmal im Vierteljahr. Dann gibt es Kooperationen mit Kliniken, was sehr sinnvoll ist, oder auch mit Ernährungsberatung gekoppelt. Das ist ja sowieso ein ganz großer Bestandteil dieser Schulungen. Dann ist es wirklich sinnvoll, sich mit seinem Arzt zu unterhalten, bezüglich wo kann ich hingehen und wann und der wird das dann auch vermitteln. Beim Diabetologen ist das noch sehr viel enger verknüpft, aber das gleiche Prinzip. Und wenn nun überhaupt nichts funktioniert und der Diabetes sich nicht gut einstellen lässt, dann muss man auch mal an eine Reha denken. Dort ist alles inkludiert.

Mario D. Richardt: Was lernt man denn bei einer Diabetesschulung? Worum geht es da genau? 

Petra Baier: Also einmal lernt man das richtige Blutzuckermessen. Dann bekommt man auch das Gefühl dafür, wann ist mein Zucker zu hoch oder zu niedrig, weil das geht natürlich mit bestimmten Symptomen einher. Dann geht es natürlich in einem großen Bereich um gesunde Ernährung. Da ist es eben nicht so, dass sie alles ausschließt, was zuckerhaltig ist oder Fett enthält, sondern es kommt auf das Maß an. Das ist ganz wichtig und wenn ich dieses Maß einhalte, dann funktioniert das.

Ebenfalls im Blick sollte man behalten, dass der Blutdruck in einem guten Bereich liegen muss und dass die Blutfettwerte auch nicht nach oben ausreißen. Das geht ganz schnell. Ein wichtiger Punkt ist noch die Dokumentation, auch das lernt man dort, weil es ja entscheidend ist, dass ich als Patient, aber auch mein Arzt bei den entsprechenden Kontrollen weiß, wie sich der Blutzucker im Verlauf entwickelt hat? Und dafür kann man Tagebuch führen. Es gibt entsprechende Tagebücher für Menschen mit Diabetes. Es gibt aber auch Listen, das macht jeder unterschiedlich. Wer sehr affin ist mit Computern, der macht das am Computer und kann das dann auch seinem Arzt übermitteln. 

Mario D. Richardt: Das ist das eine. Dann muss man sich um viele andere Sachen kümmern, nämlich, dass man auch schleunigst versucht, seinen Lebensstil zu verbessern. Also auch häufiges Bewegen im Alltag, Sport ist da ganz wichtig. Und da gibt es ja ganz viele Möglichkeiten, nicht wahr? Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking, Treppensteigen. Es gibt auch Menschen, mit denen ich schon gesprochen habe, in Folge 11 aus der Diabetes-Reihe ist das, die wirklich dadurch auch vermieden haben, dass sie spritzen müssen.  

Petra Baier: Ja.

Mario D. Richardt: Wie wichtig finden Sie es persönlich, Bewegung zu integrieren?

Petra Baier: Also für mich ist das Thema Bewegung eines der allerwichtigsten, und zwar in jeder Form. Sie haben eine Menge genannt: es gibt schwimmen, es gibt das normale Spazierengehen. Das dürfen wir bitte nicht unterschätzen. Aber dann nicht zehn Minuten bis zur nächsten Gaststätte, sondern vielleichtin den Park und damit dann auch was Schönes verbinden.

Man kann zum Beispiel mit dem Hund rausgehen. Das sind die Alltagsdinge, aber die sind ganz entscheidend, und gerade in der Coronazeit ist es ja passiert, dass wir uns mehr und mehr auf die Couch zurückgezogen haben. Das ist fatal bei einer Erkrankung wie Diabetes, weil in dem Falle setzen wir nicht nur die Ruhe ins Gehirn, sondern wir setzen eben auch Fett an und auch wenn wir es nicht unbedingt gleich sehen, weil das ja im Körper stattfindet, für den Diabetes ist das einfach Gift.

Also Bewegung sollte in jeder Form stattfinden. Und ich bin sowieso jemand, der immer sagt, raus an die Luft. Es gibt für alles eine Kleidung und ob es nun ein bisschen regnet oder die Sonne scheint, das klappt immer.  

Mario D. Richardt: Also das ist ganz wichtig, das habe ich jetzt auch so mitgenommen, dass man sich nicht nur auf die Ärzte verlassen, sondern auch selbst aktiv werden sollte. Halten wir also noch mal das Wichtigste fest: eine gute Dokumentation der Blutzuckerwerte, regelmäßige Bewegung, dann natürlich eine bewusste Ernährung, da gibt es übrigens auch eine Extrafolge zu, und immer darauf achten, dass der Blutdruck gut eingestellt ist.  

Petra Baier: Ja, einmal der Blutdruck und wie gesagt, immer die Blutfettwerte im Auge haben. Das ist schon wichtig. Cholesterin – da, jeder lacht drüber und jeder weiß auch, es gibt kaum jemanden, der dort kein Problem hat. Aber jedes Problem ist eben auch anzugehen. 

Mario D. Richardt: Wie komme ich denn als Betroffener an eine Ernährungsberatung?

Petra Baier: Da gibt es mehrere Wege, also zum einen kann ich mich natürlich selbst bemühen, dass ich schaue, wer bietet das an. Das ist in der Regel mit Geld verbunden. Das heißt, wenn ich mir auf dem privaten Markt einen Ernährungsberater suche, dann bekomme ich sicher etwas für mein Geld, aber ich muss es halt bezahlen. Die Krankenkassen sind aber durchaus gewillt und auch verpflichtet, Ernährungsberatung zu bezahlen, wenn es der Gesundung oder der Gesunderhaltung dient und das heißt, ich wende mich wieder an meinen Hausarzt. Und mein Hausarzt vermittelt mir dann die entsprechenden Kontakte.

Im allerbesten Fall knüpft er diese Kontakte für mich und dann geht es los. Allerdings muss man sagen, diese Ernährungsberatung ist nicht jedes Jahr möglich, weil die Krankenkassen natürlich sagen, eine Basisernährungsberatung findet auch über mehrere Tage statt. Man lernt ein bisschen kochen, man lernt etwas über die Ernährungspyramide. Das wissen die meisten, aber man kann es ja auffrischen. Man lernt, was gut schmeckt und trotzdem gesund ist und dann irgendwann kann man auch dort Kochen lernen, zumindest den Grund einer gesunden Ernährung. Und dann muss man selbst etwas tun und dort ist dann auch wirklich der Punkt, wo man das für sich tut und nicht für andere.  

Mario D. Richardt: Aber ich denke auch gerade, die Ernährungsberatung ist eigentlich für den weiteren Verlauf der Krankheit essenziell. 

Petra Baier: Ja.  

Mario D. Richardt: Denn auch gerade die Ernährungspyramide hat sich in den letzten 20, 30 Jahren sehr stark verändert. Viele Mythen gab es damals, die es jetzt nicht mehr gibt. Und dann ist man auch teilweise überrascht, was da in der Nahrung drinsteckt, worauf man achten muss., Also auf jeden Fall, das ist das Wichtigste, und auch, wenn sie selbst bezahlt werden muss, ist eine Ernährungsberatung unbedingt zu empfehlen.

Petra Baier: Richtig und wir dürfen alle nicht vergessen, Ernährungsberatung nur für uns allein nützt nichts. Am günstigsten ist es, wenn wir ein Umfeld haben, Ehemann, Kinder, die das Ganze mit leben. Denn gesunde Ernährung bedeutet ja nicht Diabetesernährung, sondern für jeden tut man was. Und wenn man zu Hause nur für eine Person kocht und alle anderen machen munter weiter wie bisher, dann ist das nicht nur unschön, sondern hilft auch nicht. Weil irgendwann gibt man auf.  

Mario D. Richardt: Also es ist schon wichtig, dass auch die Familie mitzieht und den Betroffenen unterstützt? 

Petra Baier: Ja und ich als Betroffener muss auch sagen, wo sind meine wichtigen Ziele? Und ich muss auch sagen, “bitte mach doch mit” – und das funktioniert in 90 Prozent der Fälle.  

Mario D. Richardt: Neben dem Hausarzt und Diabetologen gibt es ja auch viele weitere Ansprechpartner, die Bindeglied und Ratgeber sein können. Wo findet man als Betroffener Hilfe?

Petra Baier: Da findet man schon viel Hilfe. Es kommt in dieser bestimmten Ausnahmesituation wirklich darauf an, was der Patient möchte. Will ich den Doktor Google anklicken und will mich vor den Computer setzen und mich da durcharbeiten oder mache ich das eher zielgerichtet? Oder ich habe damit gar nichts am Hut und schaue, wo hinwenden kann, telefonisch oder eben auch direkt.

Mario D. Richardt: Dann reden wir jetzt also über den deutschen Diabetiker Bund, dem Sie auch angehören, dem DDB. Was kann er leisten, was kann er für mich als Betroffener machen?

Petra Baier: Also dort kann sehr viel mehr für den Betroffenen quasi vis-à-vis gemacht werden. Zum einen ist es so, Sie können dort anrufen, Sie können sich auch über das Internet informieren und Sie können sich auch schriftlich dort hinwenden. Sie bekommen immer eine Antwort und Sie bekommen immer eine Hilfe. Ganz wichtig ist es, wenn es um Verhaltensfragen geht, um Fragen wie, wo finde ich eine Selbsthilfegruppe? Was ist regional für mich möglich und man erfährt, wo in der Region die Diabetologen sitzen. Weil das ist für Ottonormalverbraucher gar nicht zu finden. Die sind verteilt, aber man findet ja nicht immer den Facharzt. Zum anderen gibt es dort Schulungen. Man kann, wenn man die Mitgliedschaft anstrebt, in dieser Patientenorganisation, die im Übrigen einen Jahresbeitrag von 40 Euro beinhaltet, rechtliche Unterstützung bekommen.

Man kann inhaltliche Unterstützung bekommen, man kann versicherungsmäßig beraten werden und, das kann ich aus Erfahrung sagen, sehr gut beraten werden. Also da ist die Sache dann schon vielschichtiger. Wenn man einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchte oder muss, dann stößt man an Grenzen. Oft schon beim Hausarzt, weil der gar nicht die Zeit hat. Dann kann man sich dahin wenden. Wenn Pflegebedürftigkeit in der Familie ist, die ich als Diabetiker im Moment gar nicht leisten kann, weil ich mit mir so viel zu tun habe, dann kann ich mir dort Hilfe, Beratung und Vermittlung holen.

Also Sie merken, die Schiene ist ganz vielfältig. Natürlich gibt es auch so eine Art Kongresse für Patienten. Das wird regelmäßig gemacht. Es gibt Diabetikertage, die sind in den großen Städten. Also es gibt eine ganze Menge, wo man dann hingehen kann. Dort wird man über neueste grundsätzliche Hilfsmittel, Hilfsmöglichkeiten und auch Eigenhilfen aufgeklärt und kriegt auch manchmal einen Stupser.

Mario D. Richardt: Also im Prinzip findet man auf jeden Fall dort dann immer einen kompetenten Ansprechpartner, in jeder Alltagssituation, in die man dann hineinrutscht als Betroffener Diabetiker?

Petra Baier: Ja und was auch wichtig ist, es wird eben nicht abgetan, sondern es wird ernst genommen. Wir können nicht jeden Tag alle Fragen ad hoc beantworten, aber wir können zurückrufen oder wir können uns treffen. Und die Vermittlung in Selbsthilfegruppen oder zumindest die Möglichkeit zu sagen, dort ist eine Selbsthilfegruppe. Das ist ein Grundbedürfnis, das wir auch erfüllen.

Mario D. Richardt: Dann gibt es aber auch noch die deutsche Diabetes Gesellschaft, die DDG. Wie kann ich da Hilfe bekommen als Betroffener?  

Petra Baier: Ursächlich als Betroffener erst mal punktuell gar nicht, sondern es ist so, dass dort natürlich sehr viel gemacht wird gegen diese ganzen politischen Varianten, die den Diabetes nicht mit einschließen. Wir müssen uns immer vor Augen halten, Diabetes ist eine Volkserkrankung und sie wächst also ständig und überproportional, aber sie findet in der großen Politik wenig Gehör.

Also da ist es schon wichtig, so jemanden zu haben und da wird auch ganz, ganz viel angeschoben an großen Kongressen bis hin zu kleinen. Auch Podcasts und eben auch im Internet, aber davon hat der Betroffene im Moment zu Hause nichts.

Mario D. Richardt: Das ist keine Patientenorganisation, wie der deutsche Diabetiker Bund? Es gibt keine medizinische Beratung, aber man kann sich viele Informationen erst mal einholen?

Petra Baier: Richtig, und die werden zum einen niedergeschrieben. Da gibt es Literatur, es gibt natürlich, eben wie gesagt, auch das Internet und wer sich da ein bisschen durchliest, der findet dort ganz, ganz viele Antworten auf seine Fragen. 

Mario D. Richardt: Zum Beispiel gibt es da auch eine Liste mit Selbsthilfeverbänden und von Gleichgesinnten, an die man sich dann wenden kann, mit denen man sich dann austauschen kann. 

Petra Baier: Ja, aber das ist vor allem auch die Aufgabe des deutschen Diabetiker Bundes, der ja regionaler arbeitet. Man muss immer schauen, Selbsthilfe ist Hilfe für sich selbst und das mit Unterstützung der Erfahrung anderer, die auch betroffen sind. Und das findet vor Ort statt. 

Mario D. Richardt: Die deutsche Diabetes Stiftung, die DDS, was macht die?  

Petra Baier: Die Diabetes Stiftung ist ein Zusammenschluss von Diabetesinteressierten und um den Diabetes herum arbeitenden Menschen und dort wird zum einen der Kontakt in Richtung Politik gehalten, zum anderen aber auch in Richtung Betroffener, über den Weg der anderen Organisationen. Und es wird auch in Richtung der Industrie geschaut, weil das ist ja ganz wichtig. Also ich meine, wenn eine Menge Dinge am Markt angeboten werden, wo finde ich als Betroffener heraus, was für mich wichtig ist? 

Mario D. Richardt: Aber man findet dort im Prinzip auch als Betroffener Informationen rund um Diabetes? 

Petra Baier: Ja, Sie finden immer und bei allen Organisationen ganz viele Informationen und es ist wirklich sehr wichtig, dass man für sich selbst filtert, was brauche ich? Das heißt aber auch, dass man ein gutes Eigenverständnis hat. Wenn das nicht da ist, dann muss man das lernen und dafür ist der Kontakt wiederum mit anderen Betroffenen sehr wichtig, die Erfahrungen haben und wo man sich einfach was rauszupfen kann. 

Mario D. Richardt: Inwieweit bekommt man denn als Betroffener Unterstützung von den Krankenkassen?

Petra Baier: Die Krankenkassen haben erst mal die Pflicht, die Therapien zu unterstützen. Das heißt, die müssen Ihre Medikamente bezahlen, wenn Sie außerhalb des Arbeitsprozesses sind, dann auch die Rehamaßnahmen (also eine stationäre oder eine ambulante Rehabilitation) oder aber eben auch viele andere Dinge. Sie sind aber auch beratend tätig und die Beratung läuft dann wieder darauf hinaus, wo bekomme ich Hilfe? Wo sitzt ein Diabetologe, den ich ansprechen kann oder was kann ich tun, wenn ich Sport treiben will? Wo kann ich mich hinwenden? Und dort helfen also Krankenkassen ungeheuer und sie vermitteln natürlich auch Listen von Selbsthilfegruppen.

Mario D. Richardt: Also ich nehme mit, als Betroffener mit der Diagnose Diabetes ist man auf keinen Fall allein. Es gibt sehr viele Hilfsangebote. Ich danke Ihnen, Frau Beyer. 

Petra Baier: Sehr gerne.