Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In insgesamt 11 Podcastfolgen geht es um die große Volkskrankheit Diabetes. Wir führen Sie durch jede Phase der Krankheit, damit Sie immer gut informiert sind und heute geht es in Folge 10 um die besondere Diabetesform, den Schwangerschaftsdiabetes. Willkommen beim Podcast Chronisch Mensch.

Dr. Maximiliane Knöfel

Dr. Maximiliane Knöfel                                                 

Diabetologin DDG und Lipidologin in Wurzen    

     

Transkript der Folge Schwangerschaftsdiabetes

Mario D. Richardt: Als Expertin für das Thema Schwangerschaftsdiabetes habe ich Diabetologin Dr. Maximiliane Knöfel aus Wurzen eingeladen. Schönen guten Tag, Frau Dr. Knöfel.  

Dr. Maximiliane Knöfel: Schönen guten Tag, Herr Richardt.  

Mario D. Richardt: Frau Dr. Knöfel, wie viele Frauen sind denn von Schwangerschaftsdiabetes betroffen?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Aktuell sind etwa fünf bis sechs Prozent aller Schwangeren betroffen.  

Mario D. Richardt: Ist denn die Ableitung richtig, dass Schwangerschaftsdiabetes tatsächlich wirklich nur während der Schwangerschaft auftritt?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ja, das kann man so sagen. Ein Schwangerschaftsdiabetes tritt nur während der Schwangerschaft auf und ist auch so definiert.  

Mario D. Richardt: Welche Frauen sind besonders gefährdet?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Frauen sind besonders gefährdet, die bestimmte Risikofaktoren mitbringen. Entweder sie sind älter, vom Alter her hat man anderen Stoffwechsel, oder aber sie wiegen zu viel, schon vor der Schwangerschaft, der BMI, der sogenannte, ist also über 30. Aber auch Frauen, die während der vorangegangenen Schwangerschaften sehr viel Gewicht zugenommen haben, sind auch gefährdet einen Schwangerschaftsdiabetes zu bekommen.  

Mario D. Richardt: Wodurch wird das denn ausgelöst? Also, was sind jetzt die Ursachen?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ganz genau weiß man das tatsächlich nicht. Während der Schwangerschaft ähnelt der Stoffwechsel des Körpers ein bisschen einem Typ 2 Diabetiker. Von daher werden ganz viele Hormone ausgeschüttet, die die Insulinsensibilität des Körpers und auch die Insulinwirkung herabsetzen. Also es ist ganz normal, dass in der Schwangerschaft das Insulin nicht so ganz wirkt, wie bei einer Frau ohne Schwangerschaft, aber wenn eben das Insulin nicht mehr ausreicht, um den Stoffwechsel des Körpers zu regulieren, dann spricht man von einem Schwangerschaftsdiabetes.  

Mario D. Richardt: Also wird im Prinzip der Körper so ein bisschen veralbert, wenn vorgegaukelt wird, er ist Diabetiker?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ja.  

Mario D. Richardt: Das ist verrückt. Können denn Schwangere irgendwie vorsorgen, beziehungsweise was können Schwangere tun, damit es nicht zu Schwangerschaftsdiabetes kommt?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Prinzipiell muss man sagen, es kann jede Schwangere treffen. Aber günstig wirkt sich, wie auf alles, natürlich eine gesunde Lebensweise vor der Schwangerschaft aus.  

Mario D. Richardt: Heißt also Ballaststoffreich, Vitaminreich, viel Gemüse, Obst. 

Dr. Maximiliane Knöfel: Genau, gesunde Ernährung, viel Bewegung, die Risikofaktoren quasi für ein Übergewicht oder für eine Stoffwechselstörung, die schon vor der Schwangerschaft besteht, zu minimieren.  

Mario D. Richardt: Wahrscheinlich auch ein bisschen schwierig, ne? Meistens weiß man ja gar nicht, dass man schwanger wird. Also im Prinzip immer gesund ernähren, dann kann da auch nichts schiefgehen.  

Dr. Maximiliane Knöfel: Das wäre perfekt.  

Mario D. Richardt: Welche Symptome sind es denn jetzt, die beim Schwangerschaftsdiabetes auftreten?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Meistens treten gar keine Symptome auf. Die meisten Schwangeren fallen erst bei der Gynäkologin auf, wenn sie dort zum Zuckerbelastungstest gehen oder eben, wenn sie bestimmte Risikofaktoren haben und zu uns in die Schwerpunktpraxis geschickt werden. Manchmal kann ein Hinweis  für ein Gestationsdiabetes sein, dass man vermehrt Harnwegsinfekte oder Infektionen hat oder sich allgemein ein bisschen schneller müde und abgeschlagen fühlt.  

Mario D. Richardt: Ist das auch wie bei Diabetes Typ 2, dass man dann so ein trockenes Mundgefühl hat und ein erhöhtes Durstgefühl?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Das kann passieren, aber da muss der Diabetes schon sehr, sehr ausgeprägt sein.  

Mario D. Richardt: Wie stellen Sie es denn fest, übers Blut? 

Dr. Maximiliane Knöfel: Übers Blut, richtig. Also die Schwangeren kommen zu uns und trinken eine sogenannte Zuckerlösung, 75 Gramm in Wasser aufgelöst und dann wird in einem bestimmten Zeitfenster von zwei Stunden Blut abgenommen, dreimal.  

Mario D. Richardt: Das wars schon?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Mit der Blutentnahme, ja.  

Mario D. Richardt: Ab welcher Schwangerschaftswoche muss denn dieser Test gemacht werden?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Also prinzipiell wird jeder Schwangeren empfohlen, zwischen der 24. und vollendeten 27. Schwangerschaftswoche einen Zuckerbelastungstest zu machen. In den meisten Fällen wird der beim Gynäkologen stattfinden, aber es gibt ganz, ganz viele Fälle von Schwangerschaftsdiabetes, die dadurch nicht erkannt werden. Deswegen plädieren wir als Diabetologen natürlich für den 75 Gramm Zuckerbelastungstest. Auch den kann der Gynäkologe durchaus durchführen. Wenn bestimmte Risikofaktoren aufgetreten sind oder die Frau bestimmte Risikofaktoren hat, dann sollte auch schon ein Test ab der 13. Schwangerschaftswoche gemacht werden und auch noch mal ab der 30. Schwangerschaftswoche.  

Mario D. Richardt: Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren, wenn es nicht erkannt wird?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Dann kann es tatsächlich langfristig zu Folgen für Mutter und Kind kommen und auch kurzfristig, während der Schwangerschaft zu Komplikationen bei Mutter und Kind führen. Die wollen wir natürlich vermeiden.  

Mario D. Richardt: Und das ist also wirklich so, dass dann das Kind gefährdet ist?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ja, tatsächlich. Durch das Überangebot an Zucker während der Schwangerschaft, Zucker ist plazentagängig, kommt es zu einem Überangebot an Zucker für das Kind, für das ungeborene, und das produziert zu viel Insulin und wird zu schnell zu groß. Dadurch können sich Fehlbildungen entwickeln im Herzen, es kann quasi die Lunge nicht ausreichend entwickeln, eskann zu Atemproblemen kommen nach der Geburt und es können sich insgesamt Wachstums- und Fehlbildungen entwickeln.  

Mario D. Richardt: Das klingt jetzt wirklich erschreckend für mich, also dass sogar Fehlbildungen ausgelöst werden können. Das ist dramatisch. Was kann bei der Schwangeren selbst passieren?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Bei der Schwangeren selbst kann es zu einer Frühgeburt kommen, das Kind kann zu zeitig auf die Welt kommen und es kann sich ein zu hoher Blutdruck entwickeln bei einer Schwangeren. Und zusammen mit dem zu hohen Blutzucker können auch wiederum schwerwiegende Leberschäden und so weiter auftreten.  

Mario D. Richardt: Wie wird denn die Erkrankung behandelt? Ist es analog zum Diabetes Typ 2?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Tatsächlich nicht ganz, beim Diabetes mellitus Typ 2 kann man verschiedene Tabletten geben und hier bei den Schwangeren bleibt uns tatsächlich, wenn die Werte, die die Schwangere mit einem Blutzuckermessgerät misst, deutlich über den zu erreichenden Zielwerten sind, aktuell nur das Insulin. Seit März ist auch das Metformin unter Umständen im Gespräch, aber da wird es erst weitere Studien und Zulassungen geben.  

Mario D. Richardt: Das heißt, die Schwangere selbst muss tatsächlich schon Insulin spritzen?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ja, aber das schadet der Schwangeren nicht und auch dem Baby nicht, weil Insulin nicht plazentagängig ist. Es kommt also gar nicht beim Kind an. Beim Kind kommen nur die guten Zuckerwerte an.  

Mario D. Richardt: Wie lange ist das denn nötig, also geht das noch über Monate nach der Schwangerschaft hinaus?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Nein gar nicht. Der Stoffwechsel normalisiert sich quasi mit dem Zeitpunkt der Geburt und ab dem Zeitpunkt ist keinerlei Insulin mehr notwendig, auch keine Zuckermessungen. Meistens wird noch mal gemessen während der ersten drei Tage bei der Schwangeren als auch bei dem Kind, um zu gucken, ob der Stoffwechsel wirklich in Ordnung ist, aber ansonsten ist da alles schick.  

Mario D. Richardt: Also ist es gut therapierbar?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Absolut.  

Mario D. Richardt: Das sind die guten Nachrichten. Was kann denn die Schwangere selbst noch tun, als Betroffene?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Sie kann sich tatsächlich weiterhin natürlich sehr gesund ernähren, auf Kohlenhydrate achten, in bestimmten zeitlichen Abständen essen und sich viel bewegen. Nach jeder Mahlzeit oder wenn sie doch mal über die Stränge geschlagen hat, dann ist das durchaus möglich und das ist kein Grund Insulin zu geben.  

Mario D. Richardt: Gibt es ein Risiko, dass das Kind später Diabetes Typ 2 bekommt, wenn die Mutter Schwangerschaftsdiabetes hatte?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Ja tatsächlich ist das Risiko bei einem Kind erhöht, auch für die kindliche Adipositas ist das Risiko erhöht, also dass das Kind zu schnell zu dick wird, im Laufe seines Kindesalters, weil das Überangebot an Zucker natürlich beim Kind auch ankommt. Wenn dann verschiedene familiäre Risikofaktoren noch dazu kommen, dann ist es schwierig fürs Kind.  

Mario D. Richardt: Aber kann man eingreifen direkt noch in der jungen Kindheit?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Natürlich, man kann auch da vorsorgen. Man sollte die Mutter darauf hinweisen, dass stillen ganz, ganz wichtig ist und dass das wieder das Risiko senkt, ebenso eine gesunde Ernährung in der Kleinkindzeit mit adäquaten Lebensmitteln.  

Mario D. Richardt: Wie geht es denn nach der Geburt weiter? Wie oft muss die Frau dann noch untersucht werden oder ist das dann wirklich mit der Geburt erledigt?  

Dr. Maximiliane Knöfel: Also nach, direkt nach der Geburt, wird für die ersten drei Tage die Mutter im Krankenhaus sicherlich versorgt und kontrolliert mit Blutzuckermessungen und danach freuen wir uns immer sehr, und halten es auch absolut für notwendig, dass die Frau nach acht bis 12 Wochen noch einmal zu uns kommt, zu einem Zuckerbelastungstest. Meistens kann sie das Baby auch mitbringen, sie kann auch währenddessen stillen und da wird eben noch mal ein großer Zuckerbelastungstest gemacht. Wenn dieser auffällig ist, dann sollte die Frau in den nächsten 10 Jahren noch mal jedes Jahr nach dem Geburtstag ihres Kindes kommen.  

Mario D. Richardt: Das heißt also, Sie haben ja schon angedeutet, es gibt eine Gefahr auch für das Kind später, an Diabetes mellitus zu erkranken, dass auch die Schwangere auch später im Leben ein höheres Risiko hat, an Diabetes zu erkranken? 

Dr. Maximiliane Knöfel: Richtig. In den nächsten 10 Jahren steigt das Risiko um ungefähr 35 bis 40 Prozent, dass die Schwangere selbst einen Diabetes entwickelt.  

Mario D. Richardt: Dann danke ich Ihnen vielmals für die Einblicke und Ihnen alles Gute, Frau Dr. Knöfel.  

Dr. Maximiliane Knöfel: Danke schön, Herr Richardt.  

Mario D. Richardt: Und Ihnen Danke schön fürs Zuhören, bis zum nächsten Mal, alles Gute, tschüss.