Jede:r Zweite von uns ist chronisch krank. Sprechen wir darüber. In mehreren Podcastepisoden geht es um Bluthochdruck. Wir führen Sie durch jede Phase der Erkrankung, damit Sie immer gut informiert sind. Heute zum Thema Bluthochdruck. Willkommen bei Chronisch Mensch, einem Podcast von apo.com

Prof. Reinhard Fünfstück Nephrologe Hypertensiologe Hochdruckliga Thüringen

Prof. Dr. Reinhard Fünfstück

Nephrologe, Hypertensiologe, Diabetologe und Regionalbeauftragter der Deutschen Hochdruckliga für Thüringen

Transkript der Folge „Was ist Bluthochdruck?“

Mario D. Richardt: “Sie haben Bluthochdruck.” Vielleicht haben Sie diesen Satz schon einmal von Ihrem Arzt gehört oder Angehörige oder Freunde haben Ihnen von dieser Diagnose erzählt, aber was ist denn Blutdruck überhaupt? Wie funktioniert unser Herz-Kreislaufsystem? Wie wird der Blutdruck reguliert und was sind die Ursachen für Bluthochdruck? Unter anderem darüber spreche ich heute mit Professor Dr. Reinhard Fünfstück. Er ist Nephrologe, Hypertensiologe, Diabetologe und Regionalbeauftragter der Deutschen Hochdruckliga für Thüringen. Außerdem ist er der ehemalige ärztliche Direktor des Sophien- und Hufeland-Klinikums in Weimar. Hallo Professor Fünfstück. 

Prof. Fünfstück: Ich grüße Sie auch ganz herzlich.  

Mario D. Richardt: Schön, dass Sie für uns Zeit haben. Wie viele Menschen in Deutschland leiden denn unter Bluthochdruck? 

Prof. Fünfstück: Also vielleicht darf ich erst mal sagen, Blutdruck ist ein ganz charakteristisches Zeichen oder Lebensmerkmal für uns Menschen, aber auch für Tiere und ohne Blutdruck würde der wichtige Faktor Blut in unserem Körper nicht transportiert werden können. Wir brauchen aber das Blut als Transportmittel, um an die lebenswichtigen Organe und an alle Gewebepartien unseres Körpers Nährstoffe, Sauerstoff und Mineralstoffe zu transportieren. Wenn dieser Blutfluss nicht gewährleistet ist, dann kommt es zu schwerwiegenden Folgen. Wir haben leider die Situation, dass wir in Deutschland eine zunehmende Zahl von Menschen haben, die an Bluthochdruck erkranken. Gegenwärtig sind es etwa so 30 Millionen Menschen, wir wissen, dass Dreiviertel derjenigen über dem 70. Lebensjahr einen erhöhten Blutdruck haben und es ist auch bekannt, dass zunehmend Kinder schon an Bluthochdruck erkranken. Etwa fünf Prozent der Kinder erkranken an Bluthochdruck und wir haben in den letzten Jahren die traurige Bilanz erfahren müssen, dass in Deutschland, aber auch in Europa etwa drei Prozent der Kinder schon übergewichtig sind und damit natürlich auch das Risiko, dass eine Bluthochdruckerkrankung oder andere Körperstörungen auftritt, steigt. Das ist sehr problematisch.  

Mario D. Richardt: Ist also quasi das Übergewicht der maßgebliche Faktor dafür, dass die Kinder Bluthochdruck haben? 

Prof. Fünfstück: Sowohl als auch. Also bei Kindern spielt sicher das Übergewicht eine Rolle, aber wir werden ja noch darüber diskutieren, dass es auch bestimmte Formen von Bluthochdruck gibt, die eine genetische, also eine erbliche Veranlagung haben. Das kann bei Kindern eine Rolle spielen. Blutdruck ist aus meiner medizinischen Sicht eine fatale Erkrankung. Zum einen, weil in einer frühen Phase, dann, wenn Blutdruck auch gut medikamentös beeinflussbar ist oder medizinisch beeinflussbar ist, der betroffene Patient das gar nicht merkt, weil Bluthochdruck in der frühen Phase gar nicht wehtut und erst für den betroffenen Patienten zum Problem wird, wenn Folgeerkrankungen auftreten. Ein hoher Blutdruck schädigt das Herz, schädigt das Gehirn und schädigt die Nieren. Das sind fatale Folgen, die man aber heute, wenn man Bluthochdruckerkrankung frühzeitig diagnostiziert, auch entsprechend gut behandeln kann und der dramatische Verlauf dann weitestgehend eingeschränkt werden kann.  

Mario D. Richardt: Bluthochdruck merkt man nicht, haben Sie ja gerade gesagt, und Sie sprachen von 30 Millionen Betroffenen. Das sind die, die das wissen oder sind das schon die, die noch gar nicht wissen, dass sie Bluthochdruck haben? 

Prof. Fünfstück: Das kann man gar nicht so richtig beantworten, weil es eine Gruppe von Menschen gibt, die eine sogenannte maskierte Bluthochdruckform haben. Das heißt sie wissen nicht, dass der Blutdruck erhöht ist und entsprechend kann das natürlich auch in der epidemiologischen Untersuchung noch nicht erfasst werden. Wir müssen aber aus medizinischen Gesichtspunkten davon ausgehen, dass viele Patienten, eben diese 30 Millionen eingeschlossen, sind, bei denen sowohl ein höherer Blutdruck als auch eine maskierte Hypertonie besteht.  

Mario D. Richardt: Bluthochdruck ist eine sehr ernstzunehmende Krankheit. Kann es denn aber sein, dass Bluthochdruck von vielen Betroffenen dennoch so ein bisschen runtergespielt wird? Also nicht als ernstzunehmende Krankheit wahrgenommen wird? 

Prof. Fünfstück: Ja, das kann ich sehr bestätigen. Ich hatte ja gesagt, in der frühen Phase verursacht Blutdruck keine Schmerzen und man gewöhnt sich dann im Laufe der Jahre auch daran, dass der Blutdruck systematisch ansteigt. Da kommt so ein gewisser Gewöhnungseffekt auf, der aber problematisch ist. Deshalb müssen wir die Öffentlichkeit für diese Erkrankung sensibilisieren, weil wir heute gute Möglichkeiten haben, den Blutdruck zu bestimmen, die Ursachen zu erfassen und ihn sachgerecht zu behandeln. Darum ist es wichtig, dass wir uns alle mit dieser Erkrankung des hohen Blutdrucks auseinandersetzen. Wir haben gute Möglichkeiten das zu bekämpfen.  

Mario D. Richardt: Dann setzen wir uns zuerst einmal damit auseinander, wie Blutdruck überhaupt funktioniert. Also wie funktioniert das Herz-Kreislaufsystem? Was genau ist denn der Blutdruck? Welche Aufgaben haben dabei Herzgefäße und Nieren? Wenn Sie das vielleicht kurz skizzieren können. 

Prof. Fünfstück: Das Herz ist ja ein Muskel, der ständig pumpt. Die Herzkraft entscheidet, wie das Blut, das in den Herzkammern vorhanden ist, durch das Zusammenziehen des Herzmuskels, die sogenannte Systole, in den Kreislauf beziehungsweise in die Hauptschlagader und dann in die folgenden Gefäße gepresst wird. Wenn dieser Herzmuskel das Blut gepumpt hat, dann erschlafft er wieder und dann strömt erneute Blut in das Herz. Diese Phase wird als Diastole bezeichnet. Und dieses Wechselspiel zwischen Systole und Diastole bestimmt, wie das Blut in den Kreislauf gepumpt werden kann.  

Mario D. Richardt: Also Herz und Gefäße völlig klar, das leuchtet ein, aber welche Rolle spielen dabei noch die Nieren? 

Prof. Fünfstück: Ja, die Funktion des Herzens besteht ja darin, als Motor sozusagen das Blut in das Gefäßsystem zu pumpen, aber die Kraft, die dieses Herz dazu aufwenden muss, die hängt auch davon ab, wie die Gefäße beschaffen sind. Also wenn der Gefäßdurchmesser normal weit ist, dann kann das Blut gut im Kreislauf fließen. Wenn die Gefäße verengt werden, dann muss das Herz eine höhere Kraft aufwenden, um die gleiche Blutmenge dann auch im Körper zu transportieren. Wir wissen, dass hormonelle Veränderungen im Kreislauf den Turnus der Gefäße, also Elastizität der Gefäße beeinflussen und die Nieren produzieren die Hormone, Renin und Angiotensin. Diese Hormone beeinflussen sowohl die Herztätigkeit als auch den Gefäßdurchmesser und den Gefäßturnus. Bei Nierenerkrankungen werden vermehrt diese Hormone ausgeschüttet, die das Gefäßsystem beeinflussen. Das Fatale ist natürlich, dass diese Hormone auch wieder auf die Niere wirken und das ist dann gewissermaßen ein Kreislauf, der dazu führt, dass es eine Blutdruckerhöhung gibt und wir müssen dann diesen Kreislauf durch medizinische Intervention unterbrechen.  

Mario D. Richardt: Was ist denn eigentlich so jetzt ein perfekter Blutdruckwert? Also Blutdruck gemessen hat ja schon jeder, spätestens mal beim Arzt, aber was bedeuten die Werte, die man jetzt bei diesen Geräten ablesen kann? 120, 70, 140, 90, was bedeuten die Werte?  

Prof. Fünfstück: Die Werte charakterisieren die Kraft des Herzens, das Blut in den Körper zu transportieren und sie widerspiegeln praktisch den systolischen Wert, den oberen Wert, und den unteren Wert, den diastolischen Wert. Welche Werte nun normal sind, darüber gibt es auch in den letzten Jahren erhebliche Diskussionen. Wir haben durch die Fachgesellschaften in Deutschland, durch die Herzstiftung, durch die deutsche kardiologische Gesellschaft, die deutsche Gesellschaft für Nephrologie, die deutsche Diabetesgesellschaft einen klaren Algorithmus, in dem man sagt, ein Blutdruck ist normal zwischen 100, 110 bis 130 mmHg. Dann, wenn der Blutdruck systolisch über 140 ist, dann spricht man von einer Hypertonie. Ich hatte ja gesagt, es wird diskutiert. Es gibt in Amerika eine Studie, in der über 9.300 Patienten eingeschlossen waren und die amerikanischen Kollegen haben gesagt, dass es also als eine Studie unabhängig von der pharmazeutischen Industrie konzipiert worden ist und nach den Ergebnissen dieser Studie haben die Amerikaner dann gesagt, ein Blutdruck ist nur bis 120 zu 80 mmHg normal und alle Werte, die hierüber sind, sind abnormal, die werden als Hypertonie bezeichnet. Das hat dazu geführt, dass mit dieser Definition in den Vereinigten Staaten plötzlich 12 Millionen Menschen mehr an Hypertonie erkrankt sind, bevor diese Diskussion überhaupt aufgetreten ist. Und ich hatte gesagt, das ist industrieunabhängig, aber wenn jetzt 12 Millionen Menschen mehr mit einem hohen Blutdruck als Hypertoniker charakterisiert sind, dann müssen sie auch behandelt werden. Also die Folgerung will ich jetzt mal offen lassen, aber die sind ja gut ablesbar. Für die europäischen Fachgesellschaften und die deutschen Fachgesellschaften, die ich angeführt habe, ist es so, dass wir sagen, ein Blutdruck, der über 140 mmHg systolisch ist, sollte behandelt werden. Bei 130, 135 mmHg sage ich jetzt, der Patient muss dringend beobachtet werden und muss mit seinem Arzt sprechen. Nach unserer Definition ist also der Blutdruck über 140 mmHg systolisch als Hypertonie Grad 1 zu bezeichnen und alle Werte, die über 180 sind, sind dann in der Hypertonie Grad 3. Das ist natürlich schon ein gefährlicher Wert.  

Mario D. Richardt: Wie viele Menschen haben denn 180? Das klingt ja dramatisch viel.  

Prof. Fünfstück: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, ob das da überhaupt epidemiologische Untersuchungen dazu gibt. Der Ehrgeiz des Patienten und natürlich auch des behandelnden Arztes muss natürlich sein, diesen Blutdruck von 180 zu reduzieren. Es gibt eine Situation, in der man also sagt, bei einer hypertonen Krise ist der Blutdruck so hoch, aber das ist eine krisenhafte Situation. Wir wollen ja sehen, dass der Blutdruck wesentlich besser eingestellt ist. Das schaffen wir auch in Deutschland, aber wir haben auch eine Situation, dass die Patienten mit einer Hypertonie insgesamt noch nicht ausreichend behandelt sind und das betrifft schon etwa ein Viertel der Patienten, die einen Bluthochdruck haben und bei denen auch Nachjustierung sicherlich vertretbar sind.  

Mario D. Richardt: Wir reden aber bei diesen Blutdruckwerten natürlich immer von dem Ruheblutdruck. Wenn man jetzt beim Sport oder durch Stress oder Sex sozusagen höheren Blutdruck hat, der nur ein paar Minuten auftritt, dann ist das völlig okay, wenn es da mal auf 180 hochgeht, oder? 

Prof. Fünfstück: Da haben Sie völlig recht. Das ist völlig okay. Wir wollen ja nicht, dass ein Patient ständig mit einem niedrigen Blutdruck rumläuft. Wir wollen ja keine Schlafmützen haben, sondern agile Menschen und da gehört auch dazu, dass die Körperfunktionen sich zum Beispiel an Belastungen gewöhnen und adaptieren. Körperliche Belastungen, ja aber auch seelische Belastungen oder wenn ich einen guten Film sehe oder Sex haben Sie angesprochen, dann kann der Blutdruck ansteigen, aber er sollte eben nicht kontinuierlich diese hohen Werte haben. Wenn ich also sage, wir sprechen von einer Hypertonie, wenn die Werte über 140 oder 150 sind, dann will ich damit eine Situation charakterisieren, in dem langfristig diese Blutdruckwerte registriert werden.  

Mario D. Richardt: Sollte man sich denn ab einem gewissen Blutdruckwert für zu Hause ein Gerät besorgen und regelmäßig auch selbst messen? 

Prof. Fünfstück: Ja, die deutsche Hochdruckliga hat jetzt eine Initiative entwickelt, die heißt “Kenn deinen Druck”. Der Hintergrund dieser Initiative ist, dass wir sagen, wir wollen präventiv wirksam sein, um die Leute zu informieren über ihren Blutdruck. Das heißt, ich sollte die Möglichkeiten auch nutzen, auch wenn ich kein Patient bin, der jetzt einen erhöhten Blutdruck hat. Man kann in die Apotheke gehen, kann den Blutdruck messen. Es gibt andere Dinge, wir haben uns durch Öffentlichkeitsaktionen auch mal auf den Theaterplatz in Weimar gestellt und uns angeboten den Patienten den Blutdruck zu messen. Für Patienten, die aber einen hohen Blutdruck haben, plädiere ich dafür, dass sie sich einen Blutdruckapparat anschaffen. Ich sehe das für mich als Arzt auch als eine Pflicht an, wenn ich diese Patienten betreue, dass die Patienten informiert sind, wie sie einen Blutdruck messen. Das ist bei der automatischen Blutdruckmessung überhaupt kein Problem und sie legen dann, wenn sie zu mir in die Praxis kommen, auch ihre Messwerte vor. Nur manchmal müssen sie auch ihr Gewicht mit zeigen und wir reden über diese Werte und ich weiß dann okay, das ist eine Situation, in der das jetzt eine Ausnahmesituation war oder ich muss dann den Patienten medikamentös nachjustieren.  

Mario D. Richardt: So ein Gerät kostet ja auch nicht viel Geld und es lohnt sich. Wie oft müssen denn Ihre Patienten messen? Zweimal am Tag, fünfmal am Tag, wie viel ist sinnvoll? 

Prof. Fünfstück: Die Beschaffung eines solchen Gerätes wird auch von den Krankenkassen unterstützt und es gibt einen schönen Aufsatz in Stiftung Warentest in dem Blutdruckmessgeräte evaluiert worden sind, zusammen mit der deutschen Hochdruckliga. Das sollte man sich beschaffen. Man sollte auch seinen Blutdruckapparat zu bestimmten Zeiten, also vielleicht einmal jährlich vergleichen, Messungen in der Apotheke oder im Sanitätshaus überprüfen lassen, damit die Werte korrekt sind. Nicht, dass jemand jetzt hohe Blutdruckwerte hat und die stimmen gar nicht, weil das Gerät falsch misst. Das muss man auch mal mit sehen. Wie oft der Patient den Blutdruck messen soll, das ist eine schwierige Frage, also wenn jemand einen dauerhaft gut eingestellten Blutdruck hat und er bringt mir diese Aufzeichnungen in die Sprechstunde mit, wir reden darüber, dann kann ich dem Patienten sagen Sie sollten das täglich einmal messen, den Blutdruck“ oder „es reicht, wenn Sie ihn zweimal in der Woche messen“. Das hängt also von der konkreten Situation ab. Jemand, der ein Risiko hat für die Bluthochdruckerkrankung und der ein Risiko hat für Komplikationen, die auftreten, sollte den Blutdruck natürlich öfter messen, als jemand, der keinen Risikofaktor hat.  

Mario D. Richardt: Dann habe ich jetzt eine ganz schwierige Aufgabe für Sie, erzählen Sie uns doch mal bitte ohne, dass Sie es jetzt zeigen können, hier im Podcast, wie man perfekt zu Hause den Blutdruck misst. Worauf muss man achten? Kann man das zum Beispiel auch über einem Pullover anlegen? Muss der Arm immer nackt sein? Wie hoch muss die Manschette sitzen? Wie fest zieht man die Manschette? 

Prof. Fünfstück: Es ist so, dass am Oberarm die Manschette liegt und in der Ellenbeuge dann der Blutdruck gemessen wird. Sie sollten also eine Manschette haben, die gut den Oberarm bedeckt. Die sollte auch straff am Oberarm angelegt sein und dann wird gewissermaßen die Manschette aufgepumpt und mit der automatischen Registrierung wird dann in der Ellenbeuge oder nahe der Ellenbeuge der Blutdruck gemessen. Die europäische Gesellschaft für hohen Blutdruck hat gesagt, wenn man seinen Blutdruck misst, dann sollte der Betreffende sich in einem abgedunkelten Raum aufhalten, er sollte im günstigsten Fall dreimal den Blutdruck messen und dann den Mittelwert nehmen. Das ist in der Praxis fast nicht zu realisieren. Wenn Sie also dran denken, wie viel Patienten in einer Praxis sind, dann kann das nicht dort geschehen, deshalb ist die Information des Patienten seinen eigenen Blutdruck zu messen, das in den häuslichen Bedingungen zu machen, für mich viel sinnvoller. Denn ich will ja wissen, wie ist dieser Blutdruck nicht beim Arzt, wir haben ja das Phänomen des Weißkitteleffektes, sondern ich möchte gerne wissen, wie ist der Blutdruck unter Alltagsbedingungen und da ist die häusliche Situation ganz entscheidend.  

Mario D. Richardt: Und vor allen Dingen nicht den Abwasch machen, Staub saugen, dann hinsetzen, schnell den Blutdruck messen, sondern schon erstmal vorher fünf Minuten in Ruhe sitzen und dann erst messen.  

Prof. Fünfstück: Ja, ja also man sollte schon in Ruhe sein und nicht körperlich aktiv sein. Nur, wenn ich wissen will, jetzt wie ist der Blutdruck, wenn ich auf dem Fahrradergometer gesessen habe oder wenn ich viel Hausarbeit gemacht haben, dann ist das natürlich unrealistisch. Also besser ist, man sitzt und hat eine Ruhephase und misst dann seinen Blutdruck.  

Mario D. Richardt: Aber was ich vorhin sagte, muss die Manschette direkt auf dem nackten Arm liegen oder kann auch zum Beispiel das Hemd angelassen werden? 

Prof. Fünfstück: Nein, sie soll auf dem nackten Arm sitzen. Also alles andere hat ja auch eine höhere Fehlerquote und die Hemden haben eine unterschiedliche Gewerbestruktur. Also ganz klar die Aussage, es sollte auf dem nackten Arm sein.  

Mario D. Richardt: Kann man es die Manschette zu fest ziehen? Kann das passieren? 

Prof. Fünfstück: Das glaube ich nicht, also sie sollte nicht wehtun, aber sie sollte schon den Oberarm umschließen. Vielleicht ist auch darauf hinzuweisen, dass natürlich die Erwachsenen andere Manschetten brauchen als die Kinder. Und die Menschen, die einen voluminösen Körperumfang haben, die brauchen auch eine andere Manschette. Da muss die Manschette also breiter sein. Also es gibt schon altersgerechte Manschetten, aber die meisten Menschen sind ja normal gebaut und da sind die verfügbaren Manschetten auch wirklich ausreichend.  

Mario D. Richardt: Dann sprechen wir jetzt darüber, was alles den Blutdruck erhöht. Wir haben schon gesagt, Sex ja auf jeden Fall, Sport auf jeden Fall, aber was noch? Vielleicht auch Dinge, mit denen man jetzt erst mal nicht so schnell rechnet.  

Prof. Fünfstück: Also es gibt viele Faktoren, die das beeinflussen. Als Nichtraucher muss ich als Erstes sagen, Nikotin ist gefährlich, weil Nikotin ja die Blutgefäße beeinflusst. Es kommt zu einem Elastizitätsverlust der Blutgefäße, die Phasen gehen verloren, das Herz ist in der Funktion beeinträchtigt und es kommt zu einer verstärkten Arteriosklerose, deshalb ganz klar die Aussage, diejenigen die rauchen, Kettenraucher, die sind besonders gefährdet.  

Mario D. Richardt: Also das auf Platz eins quasi dann als Ursache.  

Prof. Fünfstück: Und Übergewicht, also Platz eins würde ich beim Übergewicht sehen. Also ein Mensch, der übergewichtig ist, ist ein gefährdeter Mensch. Wir können ja unser Gewicht einschätzen, indem man nach dem sogenannten Body-Mass-Index tariert. Also ein Body-Mass-Index so um 24 ist ein Mensch, der ein ganz normales Körpergewicht hat und der ist auch nicht gefährdet. Wir haben natürlich auch Alkoholgenuss als Risikofaktor. Also ich habe eine interessante Untersuchung gefunden zwischen dem Zusammenhang von Alkohol und Bluthochdruck. Wenn Sie keinen Alkohol trinken und einen Blutdruck etwa von 135 zu 85 haben, dann können Sie aber trotzdem mit Genuss auch ein Glas Alkohol am Tag trinken. Das schädigt Ihre Gefäße nicht. Wenn Sie aber zwei bis drei Glas Alkohol trinken, dann steigt der Blutdruck schon sehr an. Und wenn Sie also zum Beispiel sechs und mehr Gläser Alkohol trinken am Tag, dann haben Sie plötzlich einen Blutdruck von 150. Schon nur allein jetzt mal der Vergleich, wie Alkohol auch das Gefäßsystem mit beeinflusst und wenn man auf die Faktoren, die den Blutdruck beeinflussen noch mal zurückkommt, dann spielt auch der Kochsalzkonsum eine ganz wichtige Rolle. Kochsalz, also Natriumchlorid, beeinflusst den Hormonstatus mit und damit auch die Blutdruckregulation. Wir essen in Mitteleuropa etwa jeder 15 Gramm Kochsalz pro Tag. Das ist vielleicht gar nicht so viel, wir brauchen aber nur drei bis fünf Gramm Kochsalz am Tag und viele Dinge, die wir essen, ganz gefährlich ist natürlich Fastfood aber auch ein gutes Mittagessen, da ist Salz mit drin als Geschmacksträger, führen auch dazu, dass eben die Blutdruckregulation beeinflusst wird. Also salzarm essen ist besser, als zu viel zu salzen. Die Ernährung spielt natürlich auch eine Rolle. Bei Frauen in den Wechseljahren steigt auch der Blutdruck etwas an. Das hängt mit der hormonellen Umstellung zusammen. Bei Patienten, die Diabetes mellitus haben, steigt der Blutdruck auch an. Das sollte man auch auf alle Fälle mit beachten, dass das Faktoren sind, die die Blutdruckregulation maßgeblich mit beeinflussen.  

Mario D. Richardt: Und Dauerstress ist auch ein wichtiger Faktor, oder? Also wer jeden Tag auf Arbeit exorbitant gestresst ist und vielleicht einen nervigen Chef hat, der vielleicht noch Choleriker ist, also wenn man permanent Dauerstress hat, viel zu tun hat, auch das kann den Blutdruck negativ beeinflussen.  

Prof. Fünfstück: Das stimmt. Es ist auch so, dass permanente seelische Belastung eine Rolle spielt. Das ist natürlich so, dass das beruflich eine Rolle spielt, aber es kann auch eine familiäre Situation sein. Wenn da also immer Zwistigkeiten sind, dann ist das auch eine Phase, die sehr gefährlich ist. Das sollte man schon bedenken, die psychische Belastung spielt für die Blutdruckregulation eine wichtige Rolle.  

Mario D. Richardt: Dann sprechen wir jetzt noch mal über dieses sogenannte Weißkittelsyndrom. Das es dazu kommt, wenn man beim Arzt ist, dass automatisch der Blutdruck höher ist, vielleicht durch die Aufregung. Woher wissen Sie denn als Arzt, dass der Blutdruck dann okay ist?  

Prof. Fünfstück: Das weiß ich eben nicht, sondern muss als Arzt auch diesen Faktor der Weißkittel-Hypertonie mit bedenken. Das geht mir ja genauso, wenn ich zum Zahnarzt gehe, habe ich bestimmt auch einen höheren Blutdruck. Oder wenn ich zu einem anderen Kollegen zur Behandlung gehe, habe ich auch einen erhöhten Blutdruck. Das spielt eine Rolle. Deshalb muss bei der Interpretation der Blutdruckwerte, die in der Praxis erhoben werden, dieses Phänomen bedacht werden. Man misst den sogenannten Office-Blutdruck, Office blood pressure, und aus diesem Grund lege ich sehr viel Wert darauf, dass die Patienten lernen ihren eigenen Blutdruck zu messen und, dass man dann in der Praxis auch anhand der eigenen Aufzeichnungen etwas zum Blutdruck sagt. Also ein Weißkitteleffekt muss ausgeschlossen werden, indem ich die eigenen Aufzeichnungen des Patienten mit registriere. Ich kann vielleicht nachher noch was sagen zu diesem Kochsalz. Es gibt eine sehr interessante Studie aus den letzten Jahren, die in China durchgeführt worden ist. Es sind 20.995 Patienten über fünf Jahre in 600 chinesischen Dörfern untersucht worden zum Einfluss von Kochsalz auf den Blutdruck und es war so, dass die Patienten ihren Kochsalzverbrauch reduzieren mussten und 25 Prozent des Kochsalzes durch Kaliumchlorid ausgeglichen wurden. Da zeigte sich, dassdas Risiko für einen Herzinfarkt undfür einen Schlaganfall um 15 Prozent reduziert werden konnte. Also eine ganz wichtige Untersuchung, die etwas sagt zur Bedeutung des Kochsalzes. Also diese Studie hat unter den Kollegen eine große Resonanz gefunden, weil wir damit auch sagen können, welche Rolle Kochsalz dabei spielt.  

Mario D. Richardt: Dann als Abschluss für diese erste Folge zum Thema Bluthochdruck: Was kann denn alles im schlimmsten Fall passieren, wenn man dauerhaft zu hohen Blutdruck hat? 

Prof. Fünfstück: Hypertonie ist für mich eine Krankheit mit fatalen Folgen. Am Anfang merkt man das nicht. Später kommen Organschäden dazu. Organschäden, die sich im Herz-Kreislaufsystem, am kardiovaskulären System manifestieren. Sie müssen sich vorstellen, wenn das Herz dauerhaft Kraft aufwenden muss, um das Blut im Körper zu transportieren, dann wird der Herzmuskel irgendwann Schaden nehmen und die Entwicklung einer Herzinsuffizienz, da spricht man von einer systolischen Herzinsuffizienz. Die systolischen Insuffizienzen, die sind fatal. Wir wissen auch, dass die Hypertonie die Herzkranzgefäße schädigt. Also die Herzinsuffizienz, die Schädigung der Herzkranzgefäße bis hin zu Herzrhythmusstörungen und zum Herzinfarkt sind ganz wichtige Folgeschäden einer Hypertonie aber wir haben auch eine Situation, in dem der hohe Blutdruck die kleinen Nierengefäße schädigt und die Patienten dann eine Nierenfunktionsstörung kriegen. Im deutschen Nierenregister ist auch ausgewiesen, dass die Hypertonie die Hauptursache ist für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz ist. Die Patienten können Sehstörungen bekommen, das kann hin bis zum Sehverlust gehen und eine ganz andere fatale Komplikation ist auch die permanente Erhöhung der Durchblutung der Hirngefäße, sodass auch mal ein Hirngefäß platzen kann, es zu Durchblutungsstörungen kommt und ein Schlaganfall auftreten kann, ein sogenannter Apoplex, und das ist für die betroffenen Patienten auch eine äußerst fatale Situation. Also diese Dinge würde ich als Ursache sehen. Herz, Niere, Gehirn und Auge.  

Mario D. Richardt: Also ganz dramatische Konsequenzen kann das haben.  

Prof. Fünfstück: Ja. 

Mario D. Richardt: Ich danke Ihnen zunächst für diese Folge, Professor Fünfstück.  

Prof. Fünfstück: Bitte schön, gerne.  

Mario D. Richardt: In der nächsten Folge geht es dann um die Symptome und die Diagnose. Möchten Sie mehr rund um das Thema Bluthochdruck erfahren, schauen Sie gern in der passenden Magazin-Reihe von apo.com vorbei. Den Link finden Sie in der Folgenbeschreibung. Bis zum nächsten Mal, Danke schön, tschüss.